Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

DOI issue:
Heft 2
DOI article:
Gronau, Georg: Über ein Jugendbildnis des Kardinals Alessandro Farnese
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0071

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ÜBER EIN .TUGENDBILDNIS DES KARDINALS
ALESSANDRO FARNESE VON GEORG GRONAU
Den Bildnissen, die in den goldenen Tagen der Hochrenaissance entstanden sind, ist
es häufig eigen, daß sie in zwiefacher Weise die Aufmerksamkeit fesseln. Von ihren
künstlerischen Vorzügen abgesehen, die sie auch dann besitzen, wenn sie nicht gerade
aus der Hand der Größten unter den Meistern her vor gegangen sind, erregen sie viel-
fach nach der historischen Seite hin unser Interesse. Unbekannte Persönlichkeiten
blicken den Beschauer an, als wüßten sie von außerordentlichen Begebenheiten zu er-
zählen} man fühlt sich veranlaßt, nach Namen und Art zu fragen und den Schicksalen
der Menschen nachzuforschen, deren vergänglichem Dasein die Hand des Künstlers
etwas wie Unsterblichkeit zu verleihen vermocht hat.
So erging es mir einmal mehr, als ich vor Jahresfrist im Hause Boehler in München
vor das Bildnis trat, das ich hiermit der Öffentlichkeit übergebe. Ein Knabe, fast ein
Kind noch, dessen Züge das Leben noch nicht gemodelt hat, aber schon mit dem
Purpur bekleidet, den die Kirche wenigen Auserwählten verleiht. Wer ist dieser
jugendliche Kardinal, den der Maler dargestellt hat, wie er von seinem griechischen
Lehrbuch aufschaut und gleichsam beteuernd die Hand auf die Brust legt? Als hätte
der Künstler vorgeahnt, daß auch in ferner Zukunft sein Werk Interesse erwecken
möchte, hat er unter das Buch einen Brief geschoben und von der Adresse so viel les-
bar gelassen, daß die Ergänzung zu dem vollen Namen Alessandro Larnese nicht
schwer fällt. Haben wir ihn ohne Mühe entziffert, so wissen wir, daß wir hier ein
Jugendporträt eines der außerordentlichsten Menschen jener Epoche vor uns haben,
dessen Wirken bis auf die Gegenwart sichtbare Spuren hinterlassen hat und dem
Historiker ebenso wie dem künstlerisch Interessierten bedeutend geblieben ist.
Die Frage nach dem Maler des Bildnisses löste die andere Frage aus, ob sich über
dessen Herkunft und Schicksale irgend etwas würde feststellen lassen. Bildern, die
mit dem Haus Farnese Zusammenhängen, wird man zuerst in dem großen Inventar von
etwa 1680 nachgehen, das mit einer für den Forscher erfreulichen Breite abgefaßt
ist, und in der Tat findet man hier unser Bildnis beschrieben: »Un quadro alto br. 1
on. 5, largo br. 1 on. 1. Ritratto di Cardinale giovine quäle sta ä sedere et ha davanti
un tavolino con sopra libri, tiene la sinistra appoggiata ad uno di quelli che b aperto,
et la destra disteso sul petto, di . . . «P Leider war die Weisheit des Verfassers jenes
kostbaren Inventars zu Ende, als der Name des Malers eingetragen werden sollte; der
Kennerschaft nachfolgender Geschlechter hat er das Feld frei gelassen.
Bevor ich versuche, dieses Problem zu lösen, möchte ich noch darauf hinweisen, daß
nicht nur die Beschreibung Punkt für Punkt mit unserm Bilde übereinstimmt, son-
dern daß auch die Maße die Identität bestätigen; sie würden umgerechnet 0,70 in der
Höhe, 0,54 in der Breite ergeben; die tatsächlichen Maße sind 0,75 :o,58. — Wann
und unter welchen Umständen das Bild von Parma fortgekommen ist, wird sich kaum
je feststellen lassen. Wie manche Bilder, selbst Träger großer Namen, sind seit Ab-
fassung jenes Inventars völlig verschwunden, andere irgendwo in der Fremde wieder
aufgetaucht, wie jenes Gruppenbild der Sofonisba Anguissola, das sie mit der Schwester
beim Schachspiel darstellt, und das wir viele Jahre hindurch in Berlin in der Raczynski-
schen Sammlung gesehen haben.
Die Frage nach dem Meister eindeutig zu lösen ist mir nicht gelungen. Gefühlsmäßig
schien es mir nach der hellen, etwas bunten Farbengebung in die Emilia oder Ro-
magna zu gehören, bevor ich noch hatte feststellen können, daß es aller Wahrschein-
Campori, Raccolta di cataloghi, Modena, 1870, S. 275.

4 Der Cicerone, Jahrg. XXI, Heft 2

41
 
Annotationen