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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 7
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0230

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RUNDSCHAU

DIE LEIBL-AUSSTELLUNG IM WALLRAF-
RICHARTZ-MUSEUM
Die am io. März feierlich eröffnete Ausstellung,
fast zwei Drittel des gesamten Lebenswerk Leibis
umfassend, für die die »Moderne Abteilung« des
Wallraf-Richartz-Museums ihre Räume herlieh, ist
eines der bedeutendsten Ereignisse im Kölner
Kunstleben der letzten Zeit.
Anlaß, besser Vorwand, ist die 85 jährige Wieder-
kehr von Leibis Geburtstag, die man in seiner
Vaterstadt in einer Mischung von Stolz und schlech-
tem Gewissen durch diese Ausstellung ehrt. Ur-
sache und tieferer Grund ist die überragende
menschliche und künstlerische Qualität Leibis, die
man als ewige und in gewissem Sinne zeitlose ge-
rade angesichts dieser Ausstellung empfindet.
Nichts läßt sich vor dieser ewigen Sachlichkeit
Leibis besser als Manier entlarven, als die »Neue
Sachlichkeit« unserer Tage, für die Leibi als Ahn-
herrn anzurufen, blasphemisch ist, da er mit dem
ganzen Gewicht seiner Überzeugung und seines
Schicksals ihr Gegenspieler sein könnte.
Ebensosehr wie Leibi vor diesen postumen Über-
griffen in Schutz zu nehmen ist, sind die aus der
umgekehrten Richtung: von der Vergangenheit,
vom »Historischen« kommenden Deutungen abzu-
wehren, die ihn als einen verspäteten Holbein, Ve-
lasquez — oder was weiß ich — in seiner Zeit
scheitern lassen. Gewiß hat er an der Vergangen-
heit das Beste für seine Kunst gelernt und ist von
ihr abhängig, aber doch nur in diesem allgemeinen
Sinne, in dem wir alle Durchgangsstationen des
Zeitlichen, Gefäße des Vergangenen sind. Leibi ist
aber darüber hinaus eine der Manifestationen des
»Einmalig Ewigen«, des Ewigen als höchste Quali-
tät, was ihn, so paradox das klingen mag, nach
Vergangenheit und Zukunft hin zeitunabhängig
macht und ihn schon zu seiner Zeit vereinsamen
mußte. Diese tragische Sendung des Genies er-
klärt alles: die Stellung seiner Zeit zu ihm, Ver-
gessenheit nach glänzenden Anfängen, die Flucht
in die Einsamkeit der Berge und ihrer Menschen
die maniakalische und nicht immer erfolgreiche
Bemühung, die Realität der Dinge, insbesondere
den Menschen, im Bereiche der Kunst neu zu er-
schaffen, das Verbohrtsein in den thematischen
Umkreis der »Bauernmalerei«, der doch zu seiner
Zeit schon als ein wenig inaktuell empfunden
wurde. Aber es erklärt auch dies: seinen ständig
wachsenden Nachruhm und die Übergriffe seiner
als eines »der Unsrigen« habhaft zu werden.
Diese Ausstellung erschüttert. Ein Lebenswerk, das
sich als »Nacheinander« entwickelt, ist hier als
Komplexes — und gäbe dies nicht zu Mißdeutungen
Anlaß -—• als schlechthin Gleichzeitiges zu begrei-
fen, insofern sich das Genie zwar entfaltet, aber
doch von Anfang an da ist. Das kunsthistorische
Ratespiel, das Fragen nach der Schaffensperiode,

wird demgegenüber belanglos. Die »Frau Gedon«
ist die Arbeit des Akademieschülers und ist als
Werk, als ewige Leistung, schließlich gänzlich un-
abhängig von der »Zeit« seiner Entstehung.
So ist es auch ganz belanglos, die für Köln leidige
Frage seiner Stammeszugehörigkeit (Hie Köln -—
Hie Bayern) wieder einmal zu stellen. Es ist wohl
mehr als ein zufälliges Zusammentreffen, daß
diese Ausstellung als erste größere des neuen Di-
rektors Dr. Büchner, der aus München kommt,
stattfindet. Ihm sowie Emil Waldmann, der zur
Eröffnung wundervoll geprägte Worte sprach,
auch an dem gutgearbeiteten Kataloge großen An-
teil hat, und nicht zuletzt auch der Galerie Mat-
thiesen, die in großzügiger Weise die finanzielle
Durchführung sowohl der Kölner wie der Ber-
liner Ausstellung übernahm und durch ihren Mit-
arbeiter Mansfeld an der Gesamtorganisation ent-
scheidend teilnahm, dankt Köln diese wunderbare
Ausstellung. Ernst Scheyer
BERLINER AUSSTELLUNGEN
Französische und holländische Graphik /
Hildo Krop / Max Band / Felixmüller /
Porträts
Die Societe Frangaise d’expansion arti-
s t i q u e hat es unternommen, uns einen Überblick
der zeitgenössischen Graphik ihres Landes zu ver-
schaffen. Etwas enttäuscht schaut man die Zusam-
menstellung im Lichthof des ehemaligen Kunst-
gewerbe-Museums (wann bekommt es einen Na-
men?) durch. Wäre der Begriff des Zeitgenössi-
schen nicht so weit gefaßt, daß Degas, Forain,
Gauguin, Pissarro, Lautrec und sogar Fantin-La-
tour und Carriere einbegriffen sind, so würde das
Resultat vollends mager anmuten. Von den uns ge-
läufigen führenden Malern des modernen Frank-
reich finden sich Matisse, Vlaminck, die Laurencin
ansehnlich vertreten, Rouault mit einem mönchi-
schen Selbstporträt sogar ganz zwingend, wohinge-
gen die Blätter der Picasso, Derain oder Segonzac
sich ziemlich verlieren. Der Kubismus ist über-
haupt nicht vorhanden. Aus einer großen Reihe
konventionsgebundener Radierer, der die Heymann
und Kayser präsidieren, treten etwa Leopold-Levy
und Marcel Myr hervor, Verge-Sarrat und Waro-
quier setzen ihre Linie auf modernere Art fort. Die
liebenswürdigen Arbeiten von Galanis, Laboureur,
Mily Possoz, die karikaturistisch verschärften von
Goerg haben bei allem Reiz nicht das innere For-
mat, den Gesamteindruck wesentlich zu verstär-
ken. Von den hübsch erzählenden, graphisch kla-
ren Stichen Gatiers und sogar von den kühner spie-
lenden, grauschillernden Lithos Dufys gilt das
Gleiche. Man kann nicht umhin, die letzte Gültig-
keit der wohl etwas offiziösen Auswahl anzuzwei-
feln. Jedenfalls wird der Gegenbesuch deutscher
Graphik in der Bibliotheque Nationale, den Prof.

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