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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 9
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Friedländer, Max J.: Neues über den Meister Michiel und Juan de Flandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0279

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NEUES ÜBER DEN MEISTER MICHIEL UND
JUAN DE FLANDES VON MAX J. FRIEDLÄNDER
Als das Kaiser-Friedrich-Museum 1914 aus der Nähe von Burgos eine Madonna von
ungewöhnlicher Art erworben hatte, stellte ich fest1, daß dazu als die andere Hälfte
eines Diptychons das Brustbild eines Donators gehörte, das sich damals im Privatbesitze
zu Madrid befand. Dieses Bildnis ist kürzlich auf Umwegen in den Londoner Kunst-
handel gelangt (Colnaghi). Der Zusammenhang der beiden Tafeln kann nicht be-
zweifelt werden, da, abgesehen von der Übereinstimmung der Maße und des Stils,
der orientalische Teppich von der Madonnentafel in die Porträttafel hinüberreicht.
Der Donator ist ein älterer spanischer Würdenträger. In den Brokatstoff seines Ge-
wandes ist das Lilienzeichen des Calatrava-Ordens eingestickt.
Ich stellte gleichfalls fest, daß der merkwürdig porträthafte Madonnenkopf überein-
stimmte mit dem Frauenbildnis in der Wiener Staatsgalerie, das ehemals dort in der
Reihe der Holbein-Bildnisse hing, aus welcher Gemeinschaft es wohl dem Stile, aber
nicht der Qualität nach herausfiel. Eine fürstliche Dame, auf deren Namen das »K«
im Halsschmuck hinweist. Das Bild stammt aus der Ambraser Sammlung, wo noch
eine »schwache Kopie in größerem Formate« vorhanden sein soll'.
Ich konnte die Hypothese wagen, daß der Autor des Diptychons und des Wiener Bild-
nisses der in spanischen und niederländischen Inventaren oft genannte Meister Michiel
wäre, die Dame in dem Wiener Porträt etwa Katharina, die spanische Prinzessin, die,
i486 geboren, 1501 nach England verheiratet wurde.
Dem Stil und der Herkunft des Diptychons nach tritt der ausgezeichnete Maler her-
vor als ein um 1500 in Spanien am Hofe tätiger latinisierter Niederländer. Isabella
die Katholische, in deren Regierungszeit (1474—1504) seine Wirksamkeit ohne Zweifel
fällt, hegte eine entschiedene Neigung für die niederländische Tafelmalerei, wie ihr
der capilla real von Granada hinterlassener Kunstbesitz bezeugt. Mindestens drei
Meister aus dem Norden standen ihr zu Diensten, nämlich Melchior Aleman, Michel
Flamenco und Juan de Flandes3. Von ihnen ist Juan de Flandes dank Justis scharf-
sinnigen Ermittlungen eine sichtbare Persönlichkeit geworden.
Michel, der erheblich früher als Juan, nämlich spätestens 1492, wahrscheinlich schon
vor 1481, in den spanischen Hofdienst trat, wurde über das Todesjahr der Königin
(1504) hinaus von Margarethe, der niederländischen Statthalterin, beschäftigt. Mar-
garethe war 1497 an den spanischen Hof gekommen, um sich mit dem Kronprinzen
Juan zu vermählen, und ihre aus den Inventaren deutlich hervortretende Vorliebe für
den Meister Michiel mag aus jener Zeit stammen.
Margarethe besaß, abgesehen von anderen Bildern Michiels, ein Diptychon, das in
folgender Art beschrieben wird4:
»Ung bien petit tableaul ä double feullet, de la main de Michiel: de l’ung des coustez
de Nostre-Dame, et de l’autre coustez d’ung sainct Jehan et saincte Marguerite, faiz
ä la semblance du prince d’Espaigne et de Madame«.
Also: ein kleines Diptychon, auf dessen einer Hälfte die Madonna, auf dessen anderer
Hälfte die Heiligen Johannes und Margarethe dargestellt waren, und zwar die Heiligen
mit den Porträtzügen des spanischen Thronerben und seiner Verlobten, der Tochter
Maximilians. Da Juan bereits 1497 starb, im Herbst des Jahres, in dem Margarethe
nach Spanien gekommen war, muß das Diptychon damals entstanden sein.
1 Amtl. Berichte a. d. kgl. Kunstsammlungen, Berlin, XXXVI (1915) Sp. 177ff.
Katalog der Wiener Galerie (v. Engerth, 1886), S. 72 (Nr. 1508).
C. Justi, Jahrbuch der preuß. Kunstsammlungen VIII, S. 157H.
4 Le Glay, Correspondance de l’empereur Maximilien I. et de Marguerite d’Autriche II, S. 479.
lg Der Cicerone, Jahrg. XXI, Heft 9 ^49
 
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