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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0066

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SAMMLER UND MARKT

MARIA DIE KATHOLISCHE, GEMALT VON
HANS EWORTH
Der Freundlichkeit von Herrn Wildenstein in Paris
danken wir die Bekanntschaft mit diesem bisher
unbekannten Werk des sehr seltenen Meisters, der,
in Antwerpen geboren, aus der Schule oder doch
wenigstens aus der Nachbarschaft des Mabuse
stammt und seit etwa x543 in London nachweisbar
ist, wo er im Sinne des von Holbein und Antonis
Mor geschaffenen Bildnisstils während rund drei-
ßig Jahren gemalt hat. Daß er Ilolbein noch bei
Lebzeiten in London gekannt hat, ist nicht mit
Sicherheit anzunehmen. Dagegen wird er aber von
dem 1543 gestorbenen Meister einiges gesehen haben,
weil Z.B-. ein Bild wie das hier reproduzierte trotz
Antonis Mor, der i553 vorübergehend in London
tätig ist und seinem flämischen Landsmann viel-
leicht nahe gestanden hat, ohne Holbein kaum
denkbar ist. Zu unserem Bild gibt es übrigens das
besonders instruktive Gegenstück im Prado, eben-
falls die Königin Maria von England darstellend,
von Antonis Mor, dem Hofmaler Philipps II.,
höchstwahrscheinlich bei Gelegenheit seines oben
erwähnten Londoner Besuches i553 kurz vor der
Hochzeit der Königin mit Philipp II. gemalt. Aber
dieses Bild zeigt Maria die Katholische wesentlich
älter als das Porträt von Eworth, so daß die Ent-
stehung des letzteren kurz nach 1543, dem Datum,
das Eworth zuerst in London nachweist, angesetzt
werden darf. Übrigens wäre es eine der dankbar-
sten Aufgaben der englischen Kunstwissenschaft,
einmal in einem breit und gut gewählten Rahmen
jene Nachfolge Holbeins zu durchleuchten, die
etwa zwischen 1545 und 1675 den englischen Por-
trätstil kennzeichnet und deren Hinterlassenschaft
so zu verteilen, wie es z.B. das nur zum Teil erst
bekannte Werk eines Eworth wohl verdient hätte.
Biermann
ZU DEN DOSSENA-FÄLSCIIUNGEN
In den letzten Wochen ist, veranlaßt durch die
Aufdeckung mehrerer Fälscherwerkstätten, die
Frage der Fälschungen und ihrer Bekämpfung eifrig
diskutiert worden. Eine Geschichte des Sammelns
könnte durch eine chronique scandaleuse der Fäl-
schungen, was gleichbedeutend mit ihrer Entlar-
vung ist, ergänzt werden. Wohl jeder Kenner, jeder
Händler und Sammler weiß davon zu erzählen.
Ein nicht unwesentliches Kapitel würde die Frage
einnehmen, wie sich im Laufe der Zeit die Art und
Form des Fälschens gewandelt hat.
Gleichsam eine primitive Form des Fälschens be-
schränkte sich aufs bloße Kopieren ebenso berühm-
ter, wie gefälliger Stücke. Die Kenntnis des Denk-
malsbestandcs und die Stilkritik, die monographische
Bearbeitung der großen Künstlerpersönlichkeiten
und die Publikationen ihres Oeuvres haben die
Sammler mißtrauisch gegen die Kopien zum Zwecke
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der Fälschung und damit diese Art des Umsatzes
unergiebig gemacht. Dagegen tauchen von Zeit zu
Zeit Kompilationen von Werken eines oder mehrerer
Künstler auf, die zu einem neuen harmonischen
Ganzen kombiniert werden und den Eindruck zu er-
wecken suchen, bisher unbekannte Originale zu sein.
Ungleichheiten in der Formbehandlung machen
diese Falsifikate erkenntlich. Eine dritte Form zu
fälschen ist viel ernster zu nehmen, schon deshalb,
weil sie einen künstlerischen Schaffensprozeß, im
Gegensatz zum kopierenden und kompilatorischen
voraussetzt. Das sind die Fälschungen, die, ohne
Kopien zu sein, im Geiste einer schöpferischen Zeit
oder eines bedeutenden Künstlers ausgeführt wer-
den. Das Einfühlungsvermögen eines solchen Fäl-
schers in die ihm nicht von Natur immanente Welt
muß so stark sein, daß er versteht, glauben zu
machen, daß seine Schöpfung eine Originalarbeit
jener längst entschwundenen Kunstepoche ist. Es
gehört also ein stark künstlerisches Empfinden
dazu, der Kritik standhaltende Werke zu produ-
zieren. Tatsächlich wurden auf diese Weise zahl-
reiche Fälschungen von plastischen Werken ge-
schaffen und lange Zeit für echt gehalten. Ich er-
innere nur an den ebenso berühmten wie berüch-
tigten Giovanni Bastianini, der zahlreiche Werke
in Stil und Form der Renaissance schuf, Werke,
von denen noch zwei (eine Büste Savonarolas und
eine Madonna mit Engeln) unter seinem Namen
im Londoner Victoria and Albert Museum aus-
gestellt sind.
Je raffinierter die Fälschungen wurden, um so
vorsichtiger wurden Sammler und Kenner. Die
Methoden der Bekämpfung des Fälschertums ver-
feinerten sich durch intensives Studium der ein-
wandfreien Kunstwerke, so daß man Fälscher-
werkstätten, die in Italien zu allen Zeiten bestan-
den haben, unterscheiden konnte. Lange Jahre
schien es so, als würden bedeutende Fälschungen
nicht angehoten. Doch in jüngster Zeit haben Fäl-
scherprozesse und -affären die Aufmerksamkeit
auf dieses dunkle Kapitel der Kunstgeschichte ge-
lenkt und Unruhe im Kunsthandel gestiftet. Zu
diesen Affären gehörte vor allem die Entdeckung
der Werkstatt des Alceo Dossena in Florenz. An
sich bieten gerade Florentiner Werkstätten nichts
Überraschendes, aber die Tatsache, daß eine Werk-
statt jahrelang »originale« Werke von Donatello,
Giovanni Pisano, Simone Martini, Mino da Fiesoie
u. a. unerkannt hersteilen und zu hohen Preisen
absetzen konnte, beweist, daß man es hier mit einer
besonders qualitätvollen und bisher nicht bekann-
ten Fälschungsmethode zu tun hatte. Dossenakonnte
nur dadurch im Dunkeln produzieren, weil er es
verstand, Gemälde Simone Martinis in Stein und
Marmorskulpturen der Pisani in Holz zu über-
setzen, d. h. Werke in Techniken hcrzustellen, die
zwar überliefert, aber nicht mehr erhalten sind.
 
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