Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

DOI Heft:
Heft 14
DOI Artikel:
Wolfradt, Willi: Lautrec, der Mensch und das Werk
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0437

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

H. de Toulouse-Lautrec Die Trinkerin. Öl. 188g

LAUTREC, DER MENSCH UND DAS WERK
VON WILLI WOLFRADT
Häufig genug hat man Künstler-Monographien entgegenzuhalten, daß Ausbreitung
von Lebensumständen und persönlichen Daten die Erkenntnis der wesentlichen Er-
scheinungszüge eher beirrt als fördert. Auch eine noch so unmittelbar den Gebilden
selbst zugewandte Befassung mit Kunst wird freilich den individuellen Gestaltungs-
kräften, von denen sie hervorgebracht sind, die Aufmerksamkeit nicht verweigern
dürfen. Völlige Ignorierung des Autors würde die Vielzahl und Mannigfaltigkeit der
vorhandenen Gebilde ihrer natürlichen Gliederung berauben und in ein unartikuliertes
Nebeneinander von Formbeständen auf lösen. Das schöpferische Subjekt setzt sich als
nicht außeracht zu lassendes Moment gegenüber allen noch so sinnreichen allgemeinen
Gesichtspunkten durch, — keine Kunstbetrachtung schaltet den Künstler aus, ohne zu
verschwimmen. Aber der Künstler interessiert im Rahmen der betrachtenden Aus-
einandersetzung mit Bildgehalten und Erscheinungswerten lediglich als Inbegriff einer
besonderen Art, zu sehen und zu formen. Rembrandt geht uns im Grunde nur an als
das persönliche Substrat des Rembrandtischen. Wir sind zwar gewöhnt, die Namen
von Philosophen als bloße Deckformel für eine bestimmte Denkweise, ein System zu
gebrauchen, ohne uns sehr um den Mann und sein übriges Dasein zu kümmern. Wird
Mozart genannt, so ist die Vorstellung einer bestimmten Klangwelt, eines Musiktypus,
eines besonderen Verhältnisses von Heiterkeit und Verschattung gegeben, ohne daß
die bürgerliche Existenz des Komponisten recht zum Bewußtsein kommt. Bildenden
Künstlern und auch Dichtern gegenüber pflegen wir jedoch dermaßen auf das Bio-
graphische aus zu sein, daß hinter der bürgerlichen Person mit ihren Schicksalen und

407
 
Annotationen