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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 19
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Du Colombier, Pierre: Der Fall Courbet
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0576

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Gustave Courbet Le Chateau-Gaillard bei Les Andelys

DER KALL CO URB LT von pierre du colombier
Die große Courbet-Ausstellung, die im vergangenen Sommer im Petit-Palais stattfand,
gab zu den widersprechendsten Urteilen Anlaß. Während die einen der Begeisterung-
freien Lauf ließen, sprachen die anderen von Courbets Niedergang. Vielleicht hängt
der ungünstige Eindruck der Verneiner mit der Tatsache zusammen, daß sie zum
ersten Male vor einem bedeutenden Teile seines Werkes der Grenzen seines Schaffens
gewahr wurden, und daß die allgemeine Enttäuschung sie die echte Größe dieser
Kunst innerhalb ihrer Grenzen nicht mehr erkennen ließ.
Für den Kunsthistoriker, der jedem gern seinen Platz zuweist, fügt sich Courbet selbst-
verständlich als unumgängliches Zwischenglied zwischen die Romantiker und Impres-
sionisten. Er ist der Revolutionär gewesen, dessen erlösende Tat die Malerei im letzten
Drittel des 19. Jahrhunderts bestimmte. Diese Anschauung ist indes nur im be-
schränkten Sinne berechtigt.
Daß Courbet auf dem Gebiete der Technik irgendwie ein Neuerer war — und jeder
Wechsel in der Technik der Malerei zieht eine Veränderung der malerischen Auffassung
nach sich — ist zweifellos ein Irrtum. In dieser Hinsicht heißen die Revolutionäre,
denen der Impressionismus etwas zu danken hat, Delacroix und Corot. In Bildern wie
den algerischen Frauen hat Delacroix die gegenseitige Wirkung der getrennten reinen
Farbflecken entdeckt, und Corot gab in der Landschaft dem Augenblick Ausdruck. In
seinem ersten Salon (1844), auf seinem ersten Bilde hat der fünfundzwanzigjährige
Courbet seine Palette für immer festgelegt. Und diese dunkle, an braunen und grauen
Tönen reiche Palette, die sich nicht mehr änderte, ist die Palette eines Altmeisters.
Durch eifriges Studium der Holländer und der Venezianer hat er sie gebildet. Als er
im Salon von 1849 ausstellte, hieß der Mann mit dem ledernen Gürtel (heute im
Louvre): »Studie nach den Venezianern«'. Und mit einer Mischung von Verachtung
und Begeisterung nannte Courbet Tizian den »alten filou«.
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