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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 22
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0683

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RUNDSCHAU

ZUM ZWANZIGSTEN GEBURTSTAG DER
LIEBIG-SAMMLUNG IN FRANKFURT
Es klingt fast unglaublich, daß dieses Museum in
Frankfurt erst vor zwanzig Jahren ins Leben ge-
rufen wurde. Damals hatte der reiche Wormser
Ludwig Josef Pfungst der Stadt Frankfurt ein
schönes Vermögen für Kunstzwecke hinterlassen,
der Direktor des Städelschen Institutes, Swarzenski,
mit Hilfe des rührigen Oberbürgermeisters Adickes,
die »Städtische Galerie« zur Ergänzung der be-
stehenden Museen gegründet, ein wohlhabender
Bürger, Baron Liebig, nach letztwilliger Verfügung
seine Privatvilla der Stadt zur Verfügung gestellt.
Schnell war ein Anbau zur
Aufnahme der Skulpturen
vorgenommen, wertvolle
Beispiele der klassischen,
griechischen und römischen
Kunst, des Mittelalters, Ba-
rock, Rokoko und Klas-
sizismus herbeigeschafft, —
ein kleiner, bewährter Ab-
riß der Kunstgeschichte
gegeben. Das berühmteste
Werk, die Athena des Myron,
die Kunstfreunde aus Nähe
und Ferne in das stille Haus
am Main lockte, wurde noch
vor dem Kriege von einer
Vereinigung hiesiger Gönner
gestiftet, die hochinteressante
Kleinplastiksammlung Furt-
wänglers erworben und die
koptischen und spätägypti-
schen Funde der Menas-
Expedition, die Frankfurt
im Jahre 1906 finanzierte,
aufgestellt.
Nachdem das Museum euro-
päisches Kunstgut in Fülle
auf genommen hatte und
Ostasien immer mehr in das
Gesichtsfeld ästhetischer Be-
trachtung gerückt war, kaufte
die Direktion auserlesene
Werke chinesischer, japani-
scher und indischer Plastik
an, kurz, es entstand trotz
Kriegsnot und Verarmung
und bei jahrelanger Abge-
schlossenheit vom Ausland
eine Galerie, die mehr noch
als auf ihre wissenschaft-
liche Übersichtlichkeit auf
die künstlerische Lebendig-
keit und Qualität ihrer
Stücke stolz sein darf.

Ein Gang durch das Liebighaus ist Erhebung und
Freude zugleich. Immer fühlt man in diesen ver-
hältnismäßig kleinen Ausschni tten den Atem eines
besonderen Stils, Welterschauung, Gebärde und
das spezielle Temperament einer Epoche. Man er-
kennt, wieviel in jeder künstlerischen Tat, auch
in der des Sammelns und Ordnens, die Intuition
und die Erkenntniskraft wert sind. Dank dieser
Eigenschaften und einer intensiven Arbeitsleistung
der Leiter, des Generaldirektors Swarzenskis und
seines Assistenten, des Grafen Solms, ist der junge
Bestand der Galerie qualitätvoller und eigenartiger
als derjenige manches größeren und älteren Mu-
seums. — Neben der Groß-
plastik, der repräsentativen
und feierlichen, zeigt das Lie-
bighaus starkes Interesse für
Kleinplastik, die meistens
intimer und unbefangener
das Wesen der Zeit nach-
scbafft, die letzte Feinheit
des Handwerks und des Ge-
schmacks in minutiöser Fas-
sung gibt. Werke des n.bis
18. Jahrhunderts aus Bronze,
Gold und Silber, Stein und
Alabaster, Elfenbein und
Perlmutter konnten in Vitri-
nen und Glasschränken auf-
gestellt, eine der besten
Sammlungen in Deutsch-
land werden.
Die Ausstellungsräume rei-
chen heute längst nicht mehr
für den starken Zuwachs der
Neuerwerbungen aus. (Wir
verweisen auf unsere Mit-
teilungen in Heft 20 des
» Cicerone «.) Moderne Plasti-
ken mußten im Erdgeschoß
des Städel untergebrach t,
wichtige Skulpturen in Kel-
lern und Kammern des Lie-
bighauses magaziniert wer-
den, — ein auf die Dauer
unhaltbarer Zustand.
Der Sammlung ist zu ihrem
Geburtstag das größere, ge-
räumigere Heim zu wün-
schen, daß sie schon lange er-
sehnt, auf daß sie in den
nächsten zwanzig Jahren all
ihre alten, bekannten und die
noch dazu kommenden,
neuen Reize frei entfallen
könne.
Sascha Schwabacher
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Max Beckmann Die Zigeunerin. 1928
Berlin, Sammlung Baron v. Simolin
Ausgestellt in der Beckmann-Ausstellung des
Frankfurter Kunstvereins. Aus dem soeben
erschienenen Band Max Beckmann. Von
Heinrich Simon. Junge Kunst. Bd. 56
 
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