Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

DOI Heft:
Sonderheft Kunstliteratur
DOI Artikel:
Praehistorie und Altertum
DOI Artikel:
Die Kunst des Mittelalters und der Renaissance
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0774

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Kunst des Mittelalters und der Renaissance

donischer Jagd usvv. Daß die späten, aus dem Ende
des 5. Jahrhunderts stammenden Werke der Klein-
kunst, in denen solche Nachklänge Vorkommen,
dem Urbild, wie Löwy es rekonstruiert, näher kom-
men, als die beinah zeitgenössischen, spricht nicht
gegen die Vermutung der Zusammenhänge, son-
dern für sie. Mag der Stil der Meidiasvase in der
Zeichnung und der Formensprache dem Polygnot-
Stil im einzelnen auch ferner stehen als der Stil
des Herakles-Kraters im Louvre oder der Ama-
zonenschale in München dem Stil des Mikon oder
Polygnot steht, es ist sicher in die Gesamtstim-
mung, unter der Meidias und seine Schüler zeich-
neten, durch die Arbeit der vorhergehenden Künst-
ler doch noch mehr von der Stimmung des großen
Vorbildes eingedrungen, als den Zeitgenossen, weil
dies Große zu neu war, schon zugänglich war.
Natürlich warnt Löwy immer wieder vor der Ver-
suchung, nun zu denken, in solchen Nachklängen
in »Schwarz-Weiß« könnte man Polygnot beinah
sehen. Polygnot war ein Farbenmaler, malte in
Gelb, Rot, Schwarz und Weiß und konnte durch
Mischung und Übermalung auch Blau und Grün
erzeugen; die Vasenzeichner dagegen konnten hier-
von nur lineare Übersetzung und Abstraktion ge-
ben. Aber daß Nachklänge vorliegen, ist wohl si-
cher. Gesamtkomposition, Raumandeutung und das
stetige Wiederkehren bestimmter Einzelmotive in
den Figuren lassen dies als Gewißheit erscheinen.
Die Form ge danken Polygnots (und Mikons)
können wir nun in größerem Ausmaße als bisher
verfolgen.
Es kommt dann ein Kapitel mit der Überschrift
»Wirkung«. Hier wird die Kritik der Fachgelehr-
ten Arbeit bekommen. Denn wenn auch gewiß zu-
zugeben ist, daß Polygnot, durch die Vereinigung
dessen, was die antike Kunstliteratur »Ethos« und
»Pathos« nennt, auf seine Zeit sehr starken Ein-
druck gemacht hat, haben muß — man wird doch
nicht alle Kunstwerke aus der zweiten Hälfte des
5. Jahrhunderts, in denen sich dies, ausgeschmückt
durch das »erhöhte Menschentum«, findet, auf An-
regungen des großen Malers allein zurückführen
können, auch nicht »letzten Endes« (wie Löwy, der
sonst so schön deutsch redet, leider in der Korrek-
tur hat stehen lassen). Die Stimmung einiger atti-
scher Grabmäler und einiger Gruppen auf dem si-
donischen Sarkophag der Klagefrauen im Kon-
stantinopler Museum mag im allgemeinen das sein,
was wir polygnotisch nennen dürfen, und das mag
dann auch ins 4- Jahrhundert hinein in einzelne
Züge auf dem Alexandersarkophag weitergewirkt
haben. Aber daß Giebelgruppen und Metopen des
Zeus-Tempels in Olympia, daß das »Ethos« inPoly-
klets »Doryphoros«, daß die Stimmung der Parthe-
nongiebel, daß die Nike des Paionios und die Ne-
reiden aus Xanthos auch Nachklänge der Wand-
gemälde Polygnots sind, wird man nicht unbe-
dingt anzunehmen haben. »Wie die Olympiagiebel
in Stein gehauener Mikon, der Mikon des Theseus-

tempels, so sind die Giebel des Parthenon, wer im-
mer tatsächlich ihr Meister war, in Gedanken und
Form Polygnot, in seiner Vollendung.« Hier fehlt
ein Fragezeichen. Und es wird auch nicht mit ab-
soluter Sicherheit zu behaupten sein, daß der Ge-
wandstil der Parthenonfrauen »nur in der Malerei
erfunden sein kann«. In der Plastik selber lagen
die Tendenzen zu »malerischer« Behandlung. Daß
aber einige Reliefs aus dem Ausgange des 5. Jahr-
hunderts, das Medearelief im Lateran, das Hera-
klesrelief im Museo Torlonia und das Orpheusrelief
(Albani-Torlonia) in der Plastik am reinsten das
ausdrücken, was Polygnot in der Malerei ausge-
drückt hatte, wird man zugeben dürfen, soweit es
sich nicht um die plastische Form allein handelt,
sondern um das Ethos.
Aber dies sind unwesentliche Ausstellungen an der
schönen Leistung dieses Buches. Das Kapitel »Wir-
kung« könnte man umbenennen in »Parallelen«.
Schließlich hat ja nicht ein Künstler, und wäre er
so groß wie Polygnot, alles gezeugt, was im 5. Jahr-
hundert groß war. Und was Löwy an Charakteri-
stik und Schilderung des hohen Stiles der klassi-
schen Zeit gibt und was sehr schön ist, bleibt, auch
wenn die Fachwissenschaft ihm nicht in allen Fol-
gerungen zustimmen sollte, äußerst wertvoll und
aufschlußreich.
Ein Tafelband, genau so groß wie der Textband,
mit sehr gut gedruckten Abbildungen, auch Detail-
abbildungen, aller besprochenen Werke, erleich-
tert durch praktische Anordnung das Studium und
die Lektüre des Buches vortrefflich.
E. Waldmann

ADOLPH GOLDSCHMIDT: DIE DEUTSCHE
BUCHMALEREI, i. Die Karolingische
Buchmalerei. VIII und 68 Seiten Text und
88 Lichtdrucktafeln. 2. Die Ottonische
B:uchmalerei. VIII und 86 Seiten Text und
112 Lichtdrucktafeln; in 4°. Pantheon, Casa
editrice, Firenze — Kurt Wolff Verlag, Mün-
chen. Jeder Band 90 M.
Daß ein Verleger es wagt, den zwar geschichtlich
höchst bedeutsamen, aber bisher in weiteren Krei-
sen nur vereinzelt beachteten Erstlingswerken deut-
scher Malerei zwei gewichtige, mit liebevollem Auf-
wand ausgestattete Bände zu widmen, ist eine merk-
würdige Erscheinung, die der Hoffnung Raum läßt,
es möchten doch mehr Menschen, als man gemein-
hin glaubt, ernster Vertiefung in nicht ganz leicht
verständliche Formen künstlerischen Ausdrucks
fähig sein. Freilich konnte der Versuch wohl nur
unternommen werden, weil der wissenschaftliche
Weltruf des Verfassers verheißungsvolle Bürgschaft
für aufschlußreiche Bearbeitung bot.
In der äußeren Erscheinung, vor allem in der rei-
chen Ausstattung mit vorbildlichen Lichtdruck-
tafeln, gleichen die vorliegenden Bände der be-
kannten Veröffentlichung desselben Verlages über

14
 
Annotationen