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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sonderheft Kunstliteratur
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Die Kunst des Ostens
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Moderne Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0806

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Moderne Kunst

bloße Zugesellung und die Gleichförmigkeit der
Stilisierung. Die Kurven ihrer Leiber schmiegen
sich ihm entgegen, ihre Hände heben sich leise,
und ihre Gewänder sind wie zarte Begleitung zu
dieser Melodie.« Endlich noch ein Beispiel, das an
das Prinzip des Parallelismus erinnert, an jene
Ausdrucksweise, die dasselbe doppelt zu sagen liebt:
»Überlebensgroß sind sie monumentale Steigerung
des Lebens zu großer Plastik.«
Den Islam kennt der Verfasser besonders gut —
er hat nach eigenen Aufnahmen einige sehr impo-
sante Illustrationen beigegeben — und er versteht
es in dem umfangreichen, weitverzweigten Gebiet
mit klaren Linien die Hauptzüge der Entwicklung
zu zeichnen und in der Darstellung der »Kunst der
großen Reiche« die Hauptrichtungen deutlich ge-
geneinander abzusetzen.
Zum Schaden des Buches ist ein kurzes Schluß-
wort hinzugefügt worden. Um Asien besonders
herrlich erscheinen zu lassen, wird Europa darin
herabgesetzt. Es ist wirklich nicht am Platze, von
einer höheren Begabung Asiens zu sprechen, das
»für jedes künstlerische Problem entschiedenere
Lösungen, tiefere Formulierungen gefunden« habe,
während in Europa »geistig und in Wirklichkeit
alles näher beieinanderwohne«. Es erübrigt sich,
die Sinnlosigkeit dieses Satzes durch Beispiele zu
belegen und auf die irrige Ansicht einzugehen, die
der Verfasser über die Bedeutung des Orients für
die antike und mittelalterliche Kultur vorträgt. In
diesen Sätzen des Verfassers dokumentiert sich eine
Tendenz, die Ansehen und Wertung der mittel-
meerländisch-abendländischen Kultur zu untergra-
ben bestrebt ist. M. Wegner

R. GANTINELLI: JOSEPH BERNARD. Paris et
Bruxelles. Les editions G. van Oest.
Aus dem sehr allgemein über Kunst gehaltenen
Vorwort erfahren wir, daß der in Wien geborene
Plastiker früh im Atelier des Vaters die Behand-
lung der verschiedenen Materialien und Farben
kennenlernte. Joseph Bernard sei ein Einsamer,
der ein poetisches Leben im eigenen Garten, in
seinen schweigenden Zimmern oder in seinem wei-
len, von den Figuren seiner Träume bevölkerten
Atelier führe.
Das reiche Abbildungswerk zeigt uns Skulpturen
von 1880 bis heute. Keine ganz originelle Welt,
aber ein von guter Tradition befruchtetes Oeuvre
eines begabten Künstlers, das durch die ausgezeich-
nete Aufmachung dieser Publikation sich vornehm
repräsentiert. Sascha Schwabacher
STANLEY CASSON: SOME MODERN SCULP-
TORS. Oxford University Press, London 1928
bei Ilumphrey Milford.
Es ist für den Rezensenten schwierig, zu einem
Buche Stellung zu nehmen, dessen Autor sich von
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vornherein auf ein bestimmtes Schönheitsideal fest-
legt — in diesem Fall die Ausdrucksformen der
antiken griechischen und griechisch-byzantinischen
Kunst —, mit diesem Ideal an eine Betrachtung
der modernen europäischen Skulptur herangeht
und Werturteile abgibt. Notwendigerweise müssen
sie schief werden. Moderne Plastik ist ohne den
Einfluß Rodins undenkbar und ebenso undenkbar
ist es, ihr gerecht zu werden, wenn man das Schaf-
fen Rodins ablehnt und die Wichtigkeit einzelner
Künstler nur danach bemißt, wieweit sie sich von
Rodin frei gemacht haben, in ihren Schöpfungen
zur Antike hinneigen oder sogar ihre Werke »edle
Einfalt und stille Größe« erreichen. Der Autor
Hat kein inneres Verhältnis zum synthetischen Ge-
nie Rodins, dem ein Torso genügte, die lebendige
Schönbeit, das Bewegte, auszudrücken, der Licht
und Schatten, Haut, Blut und Fleisch, Geistigkeit
und Temperament dessen zeigt, was Rodin dar-
stellen wollte. Ihn einfach als Meister der »malaise«
zu bezeichnen, geht nicht an. Man verwirft da-
durch in Bausch und Bogen die gesamte moderne
Kunst, ohne auf ihre Quellen und ihre geistige
Haltung die erforderliche Rücksicht genommen zu
haben. — Es ginge zu weit, zu sagen, ein Mensch
mit solch ausgesprochener und bewußter Einseitig-
keit sollte sich nicht über moderne Kunst äußern.
Man darf nur kein objektives Urteil verlangen
oder erwarten. Was entsteht, ist ein sein- persön-
liches Buch; persönlich schon in der Anlage und
Auswahl der Künstler — Barye, Rodin, Maillol,
Bourdelle, Bernard, Despiau, Mestrovic, Rosandic,
Gill, Gaudier-Brzeska und Epstein — über die,
wenn sie der Geistigkeit des Autors Zusagen, oft
Glänzendes und Einführendes, Nachgehendes und
Einleuchtendes zu lesen ist, das ein reichliches und
gutes Abbildungsmaterial unterstützt.
Herbert Klinkhardt
A. H. MARTINIE: LA SCULPTURE. Les
Editions Rieder, Paris.
ADOLPHE BASLER: LA SCULPTURE
MODERNE. Les Editions G.CresetCo., Paris.

Zwei Werke über moderne Plastik in Frankreich
von Kunstgelehrten, deren Urteile auf eigener An-
schauung beruhen. Der eine Verfasser, Martinie,
mit optimistischem Enthusiasmus unserer Gegen-
wart gegenüberstehend, der andere, Basler, mit rei-
fer Skepsis selbst noch die bedeutendsten Erschei-
nungen der neueren Zeit, einen Rodin, an einem
zeitlosen Meister, an Michelangelo, messend. Ausdei
Verschiedenheit dieser persönlichen Einstellung er-
klären sich die sich widersprechenden, künstleri-
schen Wertungen. Aber gerade der Widerstreit der
Ansichten ist anregend, zumal vor den echten Künst-
lerpersönlichkeiten unserer Periode dieselbe hin-
gebungsvolle Andacht waltend ist.
Anziehend an beiden Büchern ist die Vertrautheit
mit der Materie und das gerechte Bemühen, auch
 
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