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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sonderheft Kunstliteratur
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Moderne Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0807

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Moderne Kunst

die Plastik der in Paris ansässigen Ausländer in den
Kreis der Betrachtung zu ziehen.
Der Leser erhält Auskunft über eine ganze Reihe
moderner Bildhauer wie Bourdelle, Dalou, Schnegg,
Bernard, Fernand David, Pompon, Dejean, Marcel-
Jacques, Ilalou, Niclausse usw. und über die wich-
tigen Ausländer Manolo, IJermandez, Loutchansky,
Gargallo, Brancusi, Kogan, Zadkin u. a., die durch
viele Abbildungen gestützt ist. S. Schwabacher
ROGER AVERMAETE: LA GRAVÜRE SUR
BOIS MODERNE DE L’OCCIDENT. Mit a3o
Schwarzweiß- und 9 farbigen Abbildungen. Pa-
ris 1928. Dorbon aine.
Der fast vergessene Holzschnitt wurde am Ende
des 18. Jahrhunderts durch den Engländer Bewick
zu neuem Leben erweckt. Allerdings war die Tech-
nik Bewicks, der in seinen Schnitten Tonwirkung
anstrebte, eine andere, als die im i5. und 16. Jahr-
hundert geübte.
Die Erfindung Bewicks wurde der Ausgangspunkt
einer Entwicklung, die um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts in den Leistungen eines Dore oder Men-
zel ihren Höhepunkt erreichte, um dann immer
mehr zur reinen Reproduktion herabzusinken, bis
sie schließlich durch die Erfindung der photo-
mechanischen Reproduktion fast gänzlich verdrängt
wurde. — Nicholson, Valloton, W. Morris und
Gauguin sind die Herolde einer neuen Blüte der
Holzschnittkunst, die wieder ganz aus dem Geiste
der Technik heraus zu wirken sucht, und die
jüngste Entwicklung hat gezeigt, daß allenthalben
der Holzschnitt zu einem der bedeutsamsten Trä-
ger künstlerischen Formwillens geworden ist. —
Zu dem vorliegenden, vom Verlage prächtig ausge-
statteten Buche versucht der Autor das fast un-
übersehbar gewordene Gebiet des modernen Holz-
schnittes kritisch zu durchackern und die charakte-
ristischen Strömungen und Persönlichkeiten auf-
zuzeigen. In diesem Sinne entspricht das Buch tat-
sächlich einem Bedürfnisse. Ein Bedürfnis, das so
groß ist, daß der Wert der Arbeit auch dadurch
nicht gemindert wird, daß der Verfasser im ersten
Anhieb nicht immer das Wesentliche vom Un-
wesentlichen zu unterscheiden vermochte und ihm
auch einige Künstlerpersönlichkeiten, die für das
Gesamtbild von Bedeutung sind, gänzlich entgan-
gen sind. Anton Reichel
ALBERT GLEIZES: KUBISMUS. Bau-
hausbücher i3. Albert Langen Verlag. Mün-
chen. Verdeutscht von Frau Eulein Grohmann.
Man kann nicht beurteilen, ob die schwierigen De-
duktionen des Buches durch die notwendigen Um-
schreibungen der Übersetzung an Klarheit ver-
loren haben. Jedenfalls sind manche Wendungen,
zum Beispiel der immer wiederkehrennde Bezug

auf die romantische Kunst (man könnte sich eher
einen solchen auf romanische denken) unverständ-
lich.
Das wichtigste Prinzip dieser ästhetischen Kunst-
auffassung: Beschränkung der Malerei auf Wahr-
heit, auf ihre Flächenerscheinung wird gefordert.
»Unter den der Malerei verfügbaren Materialien
zur Realisierung der formalen Tatsachen war das
erste und unbestreitbarste die Oberfläche der Lein-
wand oder die Wand«. Und »Die Natur dieser
Fläche konnte mit dieser Vielheit von Zeit oder
Raum (die jede frühere Zeit ausdrücken wollte)
nicht in Einklang gebracht werden, weil sich die
Fläche in einer für die Sinne absoluten Art als
Ganzes darstellte. Die Sinne erfaßten sie gleichzei-
tig in allen ihren Punkten«.
Im dritten, kubistischen Stadium, das Gleizes als
die radikalste Lösung des Problems der Malerei
proklamiert, ist die Bildwirkung, das heißt im
Sinne Gleizes »die rhythmische Gestaltung« auf
Grund von Verschiebungen und Drehungen der
Fläche erreicht.
Hier stutzt man schon. Woher leitet der Kubismus
bei seiner Ablehnung jeglicher Illusion das Recht
ab, in der Malerei die Verschiebung und Drehung
der Fläche dadurch zu erreichen, daß, wie es
in der allerletzten kubistischen Malerei geschieht,
eine fiktive Fläche über die andere gemalt wird,
die Sinne also gezwungen sind, sich mehrere Bild-
flächen übereinander vorzustellen? Das heißt, ein
scheinbares oder wirkliches Volumen wird vorge-
täuscht.
Welche Rolle spielt die Farbe in diesen Bildern?
Gleizes antwortet »Die Farben wurden also auf die
Fläche aufgetragen, nach der Art des Handwer-
kers, der die besondere Natur dieser Fläche achtet,
sie entwickelten sich mit der Fläche und ihre Töne
bestimmten den Wert der rhythmischen Gliede-
rung in ihrer ursprünglichen Ausdehnung«.
Über solche Formulierung läßt sich nicht streiten.
Es sind Glaubenssätze. Der Kubismus ist seinen
Bekennern mehr wie eine Kunstrichtung. Er ist
»Geistesverfassung, ein neues Gesetz, eine neue
Epoche«. Der Kubismus soll die »künstlerische Er-
kenntnis ewiger Gesetze« sein.
Für uns, die wir nicht glauben, daß diese Theorie
die Erlösung aus der Krisis der Malerei bedeute,
steht doch fest, daß das konstruktive Bewußtsein,
das sich im Kubismus ausdrückt, wenn nicht grund-
legend, so doch fruchtbar für die Kunst der Zeit ge-
worden ist. Architektur und angewandte Kunst (vor
allem Plakatkunst) klären ihre Zwecke in kubisti-
schen Gliederungen der Fläche, gerade weil sie
rationale (nicht metaphysische) Bedürfnisse zu er-
füllen haben — Bedürfnisse, die auch in der ihnen
konformen, ästhetischen Gestalt sich spiegeln müs-
sen. Sascha Schwabacher
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