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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Sonderheft Kunstliteratur
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Ästhetik und Allgemeines
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0808
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Ästhetik und
KARL FEDERN: DAS ÄSTHETISCHE PRO-
BLEM. Adolf Sponholtz Verlag, Hannover
1928.
Der Verfasser baut auf der Lehre Benedetto Cro-
ces seine eigenen Theorien auf. Form und Inhalt
sind Einheit, aus schöpferischem Impuls um ihrer
selbst willen entstanden. »Der künstlerische Aus-
druck ist also der, der um seiner Form willen ge-
schaffen wird, und diese Form muß derart sein,
daß sie an jeder Stelle oder in jedem Augenblick
eine bestimmte vom Künstler gewollte Stimmung
hervorruft.« Ist dieses Postulat nicht zu scharf Um-
rissen? Will jeder Künstler Stimmung hervorru-
fen und sind die tatsächliche Wirkung des Kunst-
werks und die Wirkungsabsicht des Schöpfers in-
dentisch?
Es wird polemisiert gegen die Überwertung der
Kunstprogramme, Richtungen und Ismen. Wenn
auch das Wesen der Zeit sich im künstlerischen
Werk so gut wie im Leben dokumentiere, so sei
das Kunstwerk nicht Frucht dieser Zeittendenzen,
sondern in seinem wichtigsten Gehalt: Schöpfung,
Persönlichkeitsausdruck.
Das Buch hat kulturelles Niveau, ohne in die phi-
losophischen Urgründe und Abgründe des ästhe-
tischen Problems zu gehen. Sascha Schwabacher
FRITZ STAHL: POTSDAM. EineBiographie.
Verlag Benjamin Harz, Berlin-Wien 1929.
Der verstorbene Kunstreferent des Berliner Tage-
blatts, ein Kunstschriftsteller von größtem Ver-
dienst, nennt sein Buch über Potsdam mit Recht
eine Biographie. Denn es erzählt das Schicksal die-
ser Siedlung von ihren Anfängen bis hinein in das
Ende des ig. Jahrhunderts, nicht nur nach kunst-
historischen und künstlerischen Gesichtspunkten,
sondern auch mit starker Herausstellung der ge-
schichtlichen, volkswirtschaftlichen und kulturge-
schichtlichen Tatbestände. Bernard Shaws Schlag-
wort: »hie Potsdam — hie Weimar« ist, wie alle
Schlagworte, falsch. Man braucht nur den Abschnitt
über den Soldatenkönig, des großen Friedrichs Va-
ter, zu lesen, um zu wissen, was Potsdam schon da-
mals nicht nur für die preußische, sondern auch
für die deutsche Kultur bedeutet hat. Aber auch
sonst hat Stahl viele Umwertungen aller Werte vor-
genommen, besonders in der Frage nach Friedrichs
des Großen Verhältnis zur Kunst, auch in der Frage
nach dem Wirken der Baumeister, denen Potsdam
sein Gesicht verdankt. Gontard bekommt ganz neue
Bedeutung, und von dem Bildhauer Glume, einem
der größten Talente des 18. Jahrhunderts, viel grö-
ßer als die importierten Franzosen, wußte bisher
eigentlich nur die Fachwissenschaft etwas.
Das Buch, in dem schönen klaren Deutsch abge-
faßt, das man an Fritz Stahl oft rühmte, ist nicht
nur ausgezeichnet geschrieben, sondern von starker
Empfindung getragen. Es reiht sich, gut illustriert
und geschmackvoll ausgestattet, Stahls andren

Allgemeines
Städtebüchern, denen über Rom und Paris, sehr
würdig an. Stahls Tod ist und bleibt ein schmerz-
licher Verlust. E. Waldmann
HANS THOMA: BRIEFWECHSEL MIT HENRY
TFIODE 1889—1920. Verlegt bei Koehler und
Amelang, Leipzig. Ilerausgeg. von Jos. August
Beringer.
Briefe zweier Männer. Beide Führer eines Kultur-
abschnitts, der jetzt nach so kurzer Zeit schon
ferne Vergangenheit ist.
Der junge Thode, noch nicht der gefeierte Univer-
sitätsprofessor, berühmte, wissenschaftliche Publi-
zist und Künder von Richard Wagners Größe, tritt
mit romantischem Enthusiasmus dem Maler gegen-
über, dessen Kunst ihm eine Erneuerung deutschen
Naturgefühls zu bringen scheint. Das Beste und das
Gefährlichste von Thodes Persönlichkeit enthüllt
sich im Verlauf dieser Korrespondenz, die durch
drei Jahrzehnte führt: die hohe, formale Bega-
bung, tiefe Bildung, Fülle der Einfälle, aber auch
die Neigung zur Rhetorik. Bewunderungswerte
Treue für die einmal erfühlte und erwählte Kunst,
aber auch ein hochmütiges Sichverschließen gegen
neue Kunsterlebnisse und dadurch eine Verbitte-
rung, die aggresiv in ihrer Schärfe ist.
»Unter allen meinen zahllosen Schülern ist kaum
einer und der andere, der meine Lehren beherzigt
hat und sie vertritt. Sie gehen hin und kaufen für
die öffentlichen Sammlungen die grauenhaften,
frevelhaft alle Kunst vernichtenden neuesten Fler-
vorbringungeD des Pinsels und vertreten die Ge-
meinheit. Mein herrliches Arbeitsgebiet, die Kunst-
geschichte, wird von der ganzen jungen Generation
entwürdigt.« Trotzdem sind Thodes Schüler, zum
Beispiel Waldmann, Valentiner, Redslob undKaes-
baeh durch ihre Kennerschaft und ihr künstleri-
sches Urteil zu Führern der lebendigen Kunst-
pflege geworden. Gerade Thodes geistiger Auto-
kratismus weckte die Begabten seiner Hörer zum
Widerstand und zur eigenen Entscheidung, wäh-
rend doch die breite, wissenschaftliche Erfahrung
des Lehrers den jungen Menschen historische
Kenntnisse vermittelte und seine unermüdliche
Schaffensfreude bewundernswertes Beispiel gab.
Thomas Persönlichkeit ist runder, seiner selbst und
des Handwerks gewisser: Der Maler ist sich seiner
Fähigkeiten und seiner Beschränkung bewußt. Er
tritt jovial und harmonisch in diesen Briefen auf.
Auch in Krankheit und Leid hat er den Fatalismus
des bäurisch naturhaften Menschen.
Das Leben beider — das scheint das Gemeinschaft-
liche, denn auch Thoma hat kein Interesse für das,
was nicht in Beziehung zur Kunst steht — spielt
sich im Kreise eines Bildungshumanismus ab, der
rührend idealistisch in unserer Gegenwart wirkt,
in einer Zeit, der die Spannungen der Wirklichkeit
lebenswert sind, der diese Kontemplation des Ge-
fühls überlebt vorkommt. Sascha Schwabacher

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