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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 2
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0084
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aucli nichts von dem, was als Original an Mu-
seen und Sammler verkauft wurde. Der kleinen
Auswahl im Kunsthaus kommt daher nur beding-
ter Wert zu. Das »Phänomen« Dossena bleibt hier
fragmentariseh, etwa wie der Zustand vieler Stücke.
Es ist nicht zu leugnen, daß ein Teil der ausgestell-
ten Objekte, besonders die Madonnenreliefs im
Stile Minos mit gutem Einfübrungsvermögen und
viel Geschick komponiert und tcchnisch gut aus-
geführt sind. Doch in keinem Falle erhoben sie
sich zum Range der einwandfreicn und beglaubig-
ten Arbeiten der nachempfundenen Renaissance-
meister. Meistens bleiben sie ein beträchtliches
Stiick, nicht nur künstlerisch, sondern auch tecli-
nisch zurück. Deshalb ist es unbegreiflich, wie die
Skulpturen Dossenas als Meisterwerke und Ori-
ginale haben gelten können. Sie halten bestenfalls
das Maß von Werkstattarbeilen. Oder soRten dic
verkauften Plastiken um so vieles besser sein als
die ausgesteRten Skulpturen?

Dossena wehrt sich dagegen, weder Kopist noch
Fälscher zu sein. Angesichts ssiner Arbeiten wird
man in wörtlichem Sinne kaum von Kopien, Wie-
derholungen von Werken fremder Meister, spre-
chen können, allenfalls von Yarianten. Im Yer-
gleich. zu den Werken der alten Meister ist fest-
zustellen, daß er kcin cinziges Stück direkt wieder-
holt, noch aus verschiedenen Teilen ein ncues
Werk zusammengesetzt hat, beides Methoden frü-
herer Fälschergenerationen. Ist er darum ein
schöpferischer Meister? Die Beziehungen zu den
Werlcen des Renaissance und seine Einfühlung in
die Art dieser Kunst, nicht nur eines Meisters, son-
dern der verschiedensten künstlerischen Individua-
litäten sind so stark, daß man bei Dossena keines-
falls von einer eigenen Stilbildung sprechen kann.
Es fällt also für ihn die Voraussetzung fort, die
man an einen Künstler zu stellen hat, damit der
wesentlichste Gesichtspunkt : unserer Ästhelik, die
alloin Zeitgebundenheit, nicht Zeitfremdheit, als
oberste künsllerische Maxime fordert, erfülltwird.
So bleibt vor den Werken Dossenas der Eindruck
von handwerklich geschickten Imitationen, nicht
von künstlerischen Werken.

Ein Fälscher? Im Stile einer vergangenen Zeit zu
arbeiten, ist nicht mit fälschen gleichbedeutend.
Trotzdem fällt es schwer zu glauben, daß die Ar-
beiten Dossenas keine Fälschungen sind. Die Prä-
paration aller Skulpturen »auf alt«, die Verstüm-
melungen gerade an unwesentlichen Teilenund der
fragmentarische Erhaltungszustand vieler Stücke
haben nichts mit dem Stil vergangener Zeiten zu
tun und machen mißtrauisch. Selbst wenn man
Manipulationen betrügerischer Händler zugesteht,
bleibt ein ungeklärter Rest, den nur Dossena selbst
ausgeführt haben kann. Um nur ein Beispiel zu
ncnncn: die lebensgroße »Verkündigung«, eine
Umbildung der Uffizientafel Simone Martinisins
Plastische, ist aus alten Baumstämmen herausge-
schnitten, in der Art einer alien Fassung polychro-

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miert, durch Schrotkörner, die die Bohrlöcher des
Holzwurmes anzeigen sollen, durchlöchert und
durch raffiniert angebrachte Risse beschädigt,
also mit den Ililfsmitteln der Fälscher ausgeführt
und präpariert. Das soll grundlos ausgeführt wor-
den sein, ohne daß Dossena je auf den Gedanken
kam, daß solche Werke als Originale alter Meister
mißbraucht werden könnten? Darauf bleibt uns
Dosscna die Antworl schuldig. Scharf

JAHRHUNDERT-AUSSTELLUNG DES FRAN-
ZÖSISCIIEN PORZELLANS

Zur Feier des i5o. Jahrestages der Begründung der
Porzellanmanufaktur von Limoges — die später
in kommerzieller Hinsicht das bedeutendste Zen-
trum dieser Technik in Frankreich wurde — hat
das »Musee des Arts decoratifs« eine retrospektive
Ausstellung — die umfangreichste, die bis jetzt
stattgefunden hat — der französischcn Erzeugnisse
auf diesem Gebiet veranstaltet. Zum echten Por-
zellan ist Frankreich ziemlich spät, wahrscheinlich
zu spät, als der richtige Geschmack an dieserKunst
schon abnahm, gekommen. Eigentlich fällt die
Blüte seiner Produkte mit dem sogenannten Frit-
tenporzellan zusammen. Am Anfang des Dix-
huitieme hesaß es eine hervorragende, vielleicht
die hervorragenclste Überlieferung auf dem Gebiet
der Fayencen. DochfolgtedieserÜberlieferungdas
Frittenporzellan kaum. Der Versucli, die charak-
teristische Dekoration der Fäyencen auf das Por-
zellan zu übertragen, steht in Rouen, wo die Ma-
nufaktur von Poterat kaum mehr als 20 Jahre
dauerte (1678—1696), fast vereinzelt da. Die an-
deren Fabriken suchten sich andere Wege. Es
warcn Saint Cloud, Lille, Chantilly, Mennecy,
Vincennes (diespäter Sevreswurde), Sceaux, Tour-
nai, Orleans, Crepy, Etiolles, Arras, Saint Amand.
Unter diesen nehmen Mennecy und Chantilly eine
hervorragende und Ghantilly vielleicht die aller-
erste Stellung ein, mit seinen großen weißen Grün-
den und der leichten Grazie der Zeichnung.

Auf dem Gebiet des eigentlichen Porzellans ist
selbstverständlich Sevres der berühmteste Name,
weil diese Manufaktur die Gunst des Königs ge-
noß. Doch ist sie weder zeitlich die erste, noch
sind ihre Erzeugnisse die schönsten. In der gegen-
wärtigen Ausstellung wird man kaum mehr erfah-
ren, als man von dem Museum in Sevres her
kannte. Der Vergleich mit den anderen Fabriken
lehrt, daß dort sehr rasch große Irrtümer began-
gen wurden. In der Freude über einige technische
Erfindungen, wic des berühmten Königsblau, ver-
gaß man, daß der natürliche Grund des Porzel-
lans eigentlich doch weiß ist. Blau und Goldwurde
Sevres Kennzeichen. Das Schwere, das Überladene
gewann Oberhand. Aber gleichzeitig kam Besseres
hcraus. Wenn Straßburg, wegen der Eifersuchtder
königlichen Manufaktur, auf dem Gebiet des Por-
zellans mit seinen Fayencen nichts Gleichwertiges
hervorbringen konnte, hlühten doch in Paris unler
 
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