Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0135
DOI issue:
Heft 4
DOI article:Neugass, Fritz: Paul Cézanne (1839-1906)
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0135
Paul Cezanne Landschaft von Estaque
Galerie Barbazanges, Paris
zu wahren. Seine Palette war meist viel bescheidener. ilatte Pissarro nocli etwas von
der anmutigen Farhigkeit des Dix-huitieme, so wirkte Cezanne daneben in seiner
Schwere und Massigkeit wie ein Renaissancepalast neben einern Rokokoschlößchen.
Cezanne wollte nicht, wie die Impressionisten, das materielle Licht darstellen, sondern
Helligkeit und Dunkelheit werden zu Kompositionsmitteln für einheitliche Bildge-
staltung. Nicht das Optische wollte Cezanne erfassen, sondern die feste Form, die
innere Wahrheit und den geschlossenen Aufbau. In seinen frühen Landschaften und
Stilleben war seine Palette meist dunkel. Seit der impressionistischen Epoche zu Be-
ginn der siebziger Jahre wird er farbiger und reicher. Das Kolorit gewinnt einen
leuchtenden Glanz und seine Apfel- und Blumenbilder sind oft voll tönende Farb-
symphonien. Den koloristischen Höhepunkt hat er wolil in dem »Jungen mit der
roten Weste« von 1888 1 aus der Sammlung Reber erreicht, wo er in den tiefen satten
roten, grünen und blauen Tönen an Giorgione und die Venezianer erinnert. Daneben
aber malt er Bilder, wie sein bereits erwähntes »Selbstbildnis an der Staffelei« und
die Landschaft der Montagne Sainte-Victoire, wo alles in Grau und Blau zusammen-
klingt.
Cezanne entfernte sich immer mehr vom Impressionismus und gelangte zu jener
kristallklaren Bildstruktur, welclie die künstlerische Einheit über alles Detail setzt. Er
gab den Naturalismus auf, entfernte sicli vom Realen zu jener künstlerischen Abstrak-
tion, die einen neuen Klassizismus heraufführt, der zum Urquell der neuen Malerei
geworden ist.
1 Abb. Cicerone 1927, S. 49.
9 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 4
109
Galerie Barbazanges, Paris
zu wahren. Seine Palette war meist viel bescheidener. ilatte Pissarro nocli etwas von
der anmutigen Farhigkeit des Dix-huitieme, so wirkte Cezanne daneben in seiner
Schwere und Massigkeit wie ein Renaissancepalast neben einern Rokokoschlößchen.
Cezanne wollte nicht, wie die Impressionisten, das materielle Licht darstellen, sondern
Helligkeit und Dunkelheit werden zu Kompositionsmitteln für einheitliche Bildge-
staltung. Nicht das Optische wollte Cezanne erfassen, sondern die feste Form, die
innere Wahrheit und den geschlossenen Aufbau. In seinen frühen Landschaften und
Stilleben war seine Palette meist dunkel. Seit der impressionistischen Epoche zu Be-
ginn der siebziger Jahre wird er farbiger und reicher. Das Kolorit gewinnt einen
leuchtenden Glanz und seine Apfel- und Blumenbilder sind oft voll tönende Farb-
symphonien. Den koloristischen Höhepunkt hat er wolil in dem »Jungen mit der
roten Weste« von 1888 1 aus der Sammlung Reber erreicht, wo er in den tiefen satten
roten, grünen und blauen Tönen an Giorgione und die Venezianer erinnert. Daneben
aber malt er Bilder, wie sein bereits erwähntes »Selbstbildnis an der Staffelei« und
die Landschaft der Montagne Sainte-Victoire, wo alles in Grau und Blau zusammen-
klingt.
Cezanne entfernte sich immer mehr vom Impressionismus und gelangte zu jener
kristallklaren Bildstruktur, welclie die künstlerische Einheit über alles Detail setzt. Er
gab den Naturalismus auf, entfernte sicli vom Realen zu jener künstlerischen Abstrak-
tion, die einen neuen Klassizismus heraufführt, der zum Urquell der neuen Malerei
geworden ist.
1 Abb. Cicerone 1927, S. 49.
9 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 4
109