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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 4
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0136

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RUNDSCHAU

BERLINER AUSSTELLUNGEN

Plastik in der Sezession / Juan Gris / Su-

sanne Eisendieck

Da in gemischten Ausstellungen für die zwischen
die Gemäldc verteilten Skulpturen nur Aufmerk-
samkeitsreste erübrigt zu werden pflegen, war es
cin guter Gedanke ausgleichender Gerechtigkeit,
einmal die gesamten Räume der Sezession der
Plastik zu widmen. Dennoch sei von Wieder-
holungen abgeralen. Eine solche Yielzahl vonBild-
werken nebcneinander hat ihr Mißliches; das pla-
stische Werk verlangt nach Einsamkeit und fühlt
sich in Gesellschaft nicht wohl. (Während die far-
bigen Bildflächen sich geradezu gesellig entzünden
können.) Ilinzu kommt die Monotonie der arg
festgefahrenen Bildnerei unsercr Zcit. Wenngleich
die Sezession keine Verpflichtung liatte, ein um-
fassendes Bild heutigen bildnerischen Schaffens zu
geben, so bleibt doch eine Plastikschau von diesem
Ausmaß fragmentarisch, wenn ihr so wesentliche
Eigenwillen wie \ oll, Wolff, Kolbe, Hoffmann,
Maskos, sogar Barlach und vor allem Brancusi fern-
gehalten sind. Die Gefahr artistischer Inzuclitwird
sehr deutlich. Man sieht lauter feinc und behut-
same Gebilde von kaum unterschiedener Art und
nahezu gleichem Reiz. Köpfe, Akte, Tiere, -—
Köpfe, Akte, Tiere. Einheit des Niveaus, und zwar
keines unerheblichen, verfließt zu vornehmer Ein-
tönigkeit.

Matisse Badende Frauen. 1915

Sammlung Alfred Tietz, Köln
Aus der eben eröffneten großen Matisse-Ausstellung
in der Galerie Thannhauser, Berlin

In diesem Rahmen erfreuen diesmal am meisten
die Gaben von Ilaller, Albiker, Laurent F. Kel-
ler, von der Sintenis (die ihre Tiere nicht zu groß
werden lassen sollte), von Edzarcl und Karsch.
Ihnen gesellen sich als verwandte neue Erschei-
nungen Arno Breker, der schmalwüchsige Torsi
und einen sorgend-ernsten Ebertkopf zeigt, Kurt
Radtke, besonders mit einer schlicht empfundenen
Liebespaargruppe, Hans Stangl uncl vor allem in
freilich breitmalerischer, vital ausladender For-
mung Mary Duras-Kopf, deren ;> Mädchen am Fen-
ster« zu den zwingendsten und persönlichsten Ge-
stallungen der Ausstellung zu zählen ist. MitPor-
träts gevvinnen vveiter die Aufmerksamkeit für
sich Fritz Claus, Karl Helbig, Rickert, Ostermayer.
Immer wieder tritt die eminente Fähigkeit Isen-
steins heraus, die Individualität im Bildnis zu prä-
zisieren. Unter den strenger geschnittenen, beton-
ter stereometrischen Arbeiten fesseln die archaisch
feinen Gipse Kogans, der straffe Torero-Torso von
Gargallo, die puppenrund in Kupfer getriebenen
und ausgebauchten Leiber von Hans Wissel. Gar-
bes im Fallen den Ball fangender »Torwart« ist
schon als eines der vvenigen Beispiele thematischen
Bestrebens anzumerken; er wirkt freilich vvie eine
Übersetzung Ilofers in die Plastik. Die geduckte
Stuccofigur eines slaunenden Kindes weist wieder
einmal auf Rhades hin, auch Milly Steger erzwingt
sich Beachlung. Alles überthront der gewaltige
Bronzetorso Maillols. Es ist eine Fülle von Zeug-
nissen plastischer Kultur, Yieles von subtilem Ge-
halt um ihn versammelt. Aber es fehlte jede starke
Hoffnung in dieser Scbau, wärc nicht Gerhard
Marcks zur Stelle. Die routineferne Tiefenmonu-
mentik seiner traumwandlerischen, dumpfen, ver-
legenen Gestalten allein wirkt in diesem Kreise
Bann und Erschütterung aus. In ihnen wühlt eine
plumpe plastische Elementarkraft, regen sich Ur-
gebärden, rauscht Geheimnis.

In meinoriam Juan Gris vergegenwärtigt die
Ga 1 erie Flechtheim diekünstlerische Wesens-
art des vor wenigen Jahren gestorbenen Spaniers.
Seine Bilder stellen sich als reimklare Trans-
figurationen und Einordnungen der Dinggestalt
dar, die zu einer klingenderen, profilierten Schön-
heit umgeschliffen uncl eingefaßt, nicht aber, wie
vielfach bei Picasso und Braque, dekonturiert und
mystisch aufgelöst erscheint. Gris ist nie dem va-
gen Stimmungskubismus, einer geometrisierenden
Zergliederungslyrik verfallen, -— ihn kennzeich-
net jederzeit die leuchtende Prägnanz der Über-
eckfügung, die kernige Artikulation der Flächen-
rhythmik. Der kurvig gespannte, harmonische,
bündige Formenschluß führt ans Dekorative. Aber
das bedeutet niemals Verflachung, und vielleicht
kann dem Schöpfer dieser wie unverwirrbare
Augen sich aufschlagenden Bilder gar nichts Rühm-
licheres nachgesagt werden, als daß seiner Kunst

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