EIN BISHER UNBEKANNTES BIL13NIS YON
DOMENICO GHIRLANDAIO
VONALFREDSCHARF
Vasari, der Uomenico Ghirlandaio eine besonders ausführliche Vita widrnet, feiert den
Meister mehrfach als hervorragenden Bildnismaler. Er berichtetvon ihm die aufschluß-
reiche Anekdote, daß Ghirlandaio schon in seiner Jugendzeit als Goldschmied alle Per-
sonen, die an seiner Werkstatt vorübergingen, porträtierte. Als besondere (iharakte-
ristika seiner Bildniskunst — es sind die liervorstechendsten Eigenschaften jeder Porträt-
kunst überhaupt— bezeichnet er die Lebhaftigkeit(vivezza), Natürlichkeit (naturalezza)
und Ähnlichkeit (similitudine) seiner Bildnisköpfe. Die beiden ersten Merkmale, der
Grad der Ähnlichkeit ist heute nicht mehr feststellbar, besitzt in holiem Maße das
Profilbildnis eines älteren Mannes in Fresko, das hier erstmalig reproduziert wird. Es
verbarg sich bis jetzt in englischem Privatbesitz, iu der Sammlung Lord Grimthorpe.
Von grauem Grund hebt sich etwas nach vorn geneigt das feingesclmittene und durch
Licht- und Schattenlagen plastisch herausmodellierte Brustbild ab. Bezeichnend für
Ghirlandaioistderunvertrie-
bene F arbauf trag, der die ein-
zelnenPinselzüge sehenläßt.
Sie unterstützen die natura-
listische Wiedergabe der Ge-
sichtspartien, die vor allen
Dingen Träger des Aus-
drucks sind. So ist das fest
nach links blickende Auge
in eine große runde Augen-
höhle eingebettet. Im Augen-
winkel liegt ein schwerer
brauner Schatten, von einem
braunen isolierenden Kontur
ist auch die fast gerade Nase
und die untereGesichtshälfte
umzogen. Diegesclilossenen,
leicht sarkastisch lächelnden
Lippen und das weich ge-
rundeteKinnsind mitgrauen
Bartstoppeln bedeckt. Über
der stark heraustretenden
Schläfenader sieht unter
einer weichen schwarzen
Kappe ergrautes Haar her-
vor. Von gleichem Schwarz
wie die Kopfbedeckung ist
das Gewand. Die Erhaltung
des Bildes ist, abgesehen von
unwesentlichen Schäden im
Gewand und an den Haaren
des Hinterkopfes, eine sehr DomenicoGhirlanrlaio DetailausderBerufungdererstenJünger
gUte. Sixtinische Kapelle, Rom
591
DOMENICO GHIRLANDAIO
VONALFREDSCHARF
Vasari, der Uomenico Ghirlandaio eine besonders ausführliche Vita widrnet, feiert den
Meister mehrfach als hervorragenden Bildnismaler. Er berichtetvon ihm die aufschluß-
reiche Anekdote, daß Ghirlandaio schon in seiner Jugendzeit als Goldschmied alle Per-
sonen, die an seiner Werkstatt vorübergingen, porträtierte. Als besondere (iharakte-
ristika seiner Bildniskunst — es sind die liervorstechendsten Eigenschaften jeder Porträt-
kunst überhaupt— bezeichnet er die Lebhaftigkeit(vivezza), Natürlichkeit (naturalezza)
und Ähnlichkeit (similitudine) seiner Bildnisköpfe. Die beiden ersten Merkmale, der
Grad der Ähnlichkeit ist heute nicht mehr feststellbar, besitzt in holiem Maße das
Profilbildnis eines älteren Mannes in Fresko, das hier erstmalig reproduziert wird. Es
verbarg sich bis jetzt in englischem Privatbesitz, iu der Sammlung Lord Grimthorpe.
Von grauem Grund hebt sich etwas nach vorn geneigt das feingesclmittene und durch
Licht- und Schattenlagen plastisch herausmodellierte Brustbild ab. Bezeichnend für
Ghirlandaioistderunvertrie-
bene F arbauf trag, der die ein-
zelnenPinselzüge sehenläßt.
Sie unterstützen die natura-
listische Wiedergabe der Ge-
sichtspartien, die vor allen
Dingen Träger des Aus-
drucks sind. So ist das fest
nach links blickende Auge
in eine große runde Augen-
höhle eingebettet. Im Augen-
winkel liegt ein schwerer
brauner Schatten, von einem
braunen isolierenden Kontur
ist auch die fast gerade Nase
und die untereGesichtshälfte
umzogen. Diegesclilossenen,
leicht sarkastisch lächelnden
Lippen und das weich ge-
rundeteKinnsind mitgrauen
Bartstoppeln bedeckt. Über
der stark heraustretenden
Schläfenader sieht unter
einer weichen schwarzen
Kappe ergrautes Haar her-
vor. Von gleichem Schwarz
wie die Kopfbedeckung ist
das Gewand. Die Erhaltung
des Bildes ist, abgesehen von
unwesentlichen Schäden im
Gewand und an den Haaren
des Hinterkopfes, eine sehr DomenicoGhirlanrlaio DetailausderBerufungdererstenJünger
gUte. Sixtinische Kapelle, Rom
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