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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 7
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Scharf, Alfred: Rembrandts Landschaft mit der Taufe des Kämmerers
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0220

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REMBRANDTS LANDSCHAFT MIT DER
TAUEE DES KAMMERERS

VON ALFRED SCHARF

Rembrandt ist, sieht man von den in einer Landschaft sicli abspielenden Darstellungen
des Europaraubes, der Susanna und der Vision Daniels ab, auf der Berliner Ausstellung
mit drei Landschaften vertreten. Davon können die aus Oldenburger Besitz vom
Kaiser-Friedrich-Museum erworbene Landschaft mit Brücke und die Kasseler Ruinen-
landschaft, die in dem für Rembrandts Landschaftskunst überaus wichtigen Jahrzehnt
von 1640—1650 entstanden sind, als reine,stillebenartige Landschaftengelten. Keinerlei
Handlung oder figürliche Aktion stört den räumlichen Zusammenhang. Die Größe
und Weite des landschaftlichen Ausschnittes und das Helldunkel, aus dem die land-
schaftlichen Details auftauchen, sind Träger heroischer Stimmung. Ein Bindeglied
stilistischer, nicht zeitlicher Art, zwischen den figürlichen Darstellungen in einer Land-
schaft und den reinen Landschaften ist die hier reproduzierte Landschaft mit derTaufe
des Mohrenkämmerers. Sie ist 1656 datiert und gehört mit der Mühle der Sammiung
Widener (um 1650) zu den umfangreichsten der von Rembrandt bekannten Land-
schaften (71,2 : 103,7 cm)- ^on Ravensworth Castle ist sie über den englischen Kunst-
handel in den Besitz der Galerie Matthiesen gelangt.

Zwei stilbildende Faktoren haben, trotzdem Rembrandts Hand in jedem Detail zu
spüren ist, auf dem Gemälde unverkennbare Spuren hinterlassen: die figürliche Kom-
positionsweise Lastmans und die Landschaftsauffassung des Herkules Seghers. Last-
man hat die Taufe des Kämmerers mehrfach dargestellt. Wir besitzen noch von ihm
drei datierte Gemälde (Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum, 16085 München, Alte Pinako-
thek, 16205 Karlsruhe, Kunsthalle, 1622), zwei Zeichnungen (Göttingen, Rotterdam)
und eine Nachzeichnung nach einem verschollenen Gemälde (Leipzig). Keine dieser
Kompositionen ist von Rembrandt wörtlich benutzt worden. Aber Rembrandt hat, ab-
gesehen vom Thema, Einzelzüge von Lastman übernommen, so die Zäsur zwischen
der Hauptgruppe und den zuschauenden Figuren vom Karlsruher Bild, die Reiter vom
Münchner Bild, vielleicht ein Beweis dafür, daß er die beiden spät entstandenen Bilder
gut gekannt hat. Von weit größerer Bedeutung für die Komposition ist der Einfluß der
Landschaften Seghers. Details wie die Gebirgslandschaft mit den zerklüfteten Bergen
und entlaubten Bäumen, der über Klippen abstürzende Fluß, die knorrige Eiche, der
Flintergrund mit phantastischen Bauten gehören zu Seghers’ Motivenschatz. Doch ist
dessen tonige Monochromie bei Rembrandt durch starkes, von links einfiutendes Licht,
das starke Kontraste von Hell und Dunkel hervorruft und dadurch Tiefe erzeugt, ge-
gliedert. Eine weite Landschaft umfängt die kleinen Staffagefiguren, die nach dem
Beispiel der Komposition Lastmans in Karlsruhe auf wenige Gestalten beschränkt
sind. Das ganze Licht strahlt auf die Landschaft, nur wenige Lichtflecken fallen auf
Philippus, den Kämmerer, den jungen Diener, der Gewand und Farben des Kämmerers
hält, und auf den vorderen Reiter. Das Kolorit der Figuren steht in Harmonie zu
den zarten grünhch-blauen Farb- und bräunlichen Schattentönen der Landschaft. Die
bunte Farbigkeit in den Gemälden Lastmans und die Tonigkeit Seghers’ ist hier durch
das Helldunkel Rembrandts bereits in dieser, seiner frühesten Landschaft überwunden.
Sie weist auf seine im nächsten Jahrzehnt entstandenen Landschaften. Die Darstellung
der Taufe des Kämmerers, von geringer Bedeutung für die Komposition, ist in diesem
Sinne ein retrospektives Element, mehr als auf seinen anderen Darstellungen biblischer
und mythologischer Art mit landschaftlichem Flintergrund.

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