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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 5
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Poglayen-Neuwall, Stefan: Drei Jahrhunderte vlämischer Kunst: in der Wiener Sezession
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0159

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Meister der Ursulalegende Heilige Sippe

Sammlung A. Lederer, Wien

DREI JAHRHUNDERTE YLÄMISCHER KUNST

IN DER WIENER SEZESSION

Es war vorauszusehen, daß der Impuls, der in den
letzlen Jahren in London dem Ausstellungswesen
durch die Ausstellungen altholländischer und vlä-
mischer Kunst gegeben wurde, auch anderwärts
befruchtend wirken würde. So wurde unter dem
unmittelbaren Eindruck der holländischen Ausstel-
lung des Vorjahres (im Burlington Ilouse) in De-
troit eine Ausstellung holländischer Kunst veran-
stultet (worüber bereits im Cicerone, Jahrg. XXI,
S. 70/1 ff-, berichtet worden ist). Und als ein Er-
gehnis dcr von London gegebenen Anregungen ist
auch die komplementäre vlämische Ausstellung des
Vereins der Wiener Museumsfreunde in der Sezes-
sion zu werten.

Zu dem Erfolg der Schau hat vieles die Munifi-
zenz der belgischen Museen, daneben aber auch
der Berliner un() zum Teil auch dcr Ämsterdamer
Kunsthandel, vieles auch der ausländische und
Wiener Privatbesitz heigetragen.

Unter den frühen Werken ist vor allem Jan van
Eycks liebreizende, miniatürenhafte Madonna am
Lebensbrunnen, aus dem kgl. Museum der schö-
nen Künste in Antwerpen, zu nennen. Die Ma-
donna mit musizierenden Engeln des Meisters von
Flemalle (Sammlung Coray, Zürich) entspricht
einem vielfach wiederholten Typus. Von Memling
ein Bildnis (aus dem kgl. Museum der schönen
Künste in Brüssel) und eine Darbringung im Tem-
pel (Czerninsche Gemäldegalerie). Wie Bogier van
der Weyden (dem man hier die bekannte Replik
des hl. Lukas, der die Madonna malt, aus dem ße-

VON POGLAYEN-NEUWALL

sitz des Grafen Wilczek zuweisen möchte) noch in
späten Nachfahren nachwirkt, zeigen die interes-
santen Tafeln mit der Legende der lil. Dymphna
(aus der Sammlung des helgischen Legationssekre-
tärs Baron ,1. van der Elst, Wien) von dcr Hand
des Enkels Rogiers, Goossen van der Weyden.
Überaus reizvoll wirkt die Art, wie die pyramiden-
artig gestaffelte Komposition der llciligen Anna
Selbdritt« des Ilugo van der Goes (aus dem Briis-
seler Museum) in die Landschaft gebettet ist, dercn
safliges Grün dem Enzianblau des Gewandes der
lil. Katharina und dem warmen Rot der hl. Anna
wirksame Folie hietet. Der Meister der Kathari-
nenlegende ist mit seinem Hauptwerk (aus der
Sammlung van der Elst) zur Stelle. Die von dem
Meister der Ursulalegende herrührende »Heilige
Anna Selbdritt« (Sammlung August Lederer)
zeichnet sich ebenso durch die schlichte, wohlaus-
gewogene Komposition aus, wie durch die Anmut
der weiblichen Gestalten, die tiefleuchtende, satte
Farbigkeit. Gleich diesen Werken ist auch die
kleine Kreuzigung des Jan Provost (Sammlung
0. Bondy, Wien), an der uns neben der kontrast-
reichen Differenzierung der Umgebung Christi vor
allem die liebevolle Schilderung des Beiwerkes fes-
selt (bezeichnend für die Fortdauer des Zusam-
menhanges mit den Livres d’heure), noch ganz im
Geist der Gotik empfunden.

Unter den Bildern, welche den Anbruch der Re-
naissance in der Kunsl der Niederlande künden,
verdient die hl. Magdalena des Quenlin Matsys

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