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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Friedländer, Max J.: Juan de Flandes
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0027

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JUAN IJE FLANDES

VON MAX J. FRTEDLÄNDER

Im Herbste des vergangenen Jahres bin ich in Spanien gereist und habe ausgespäht
nach niederländischen Bildern, im besonderen vorbereitet, die beiden fiandrischen
Maler Michiel und Juan zu begrüßen, die am Hofe der reina Catolica tätig gewesen sind.

In dem weiten Rahmen der Weltausstellung zu Barcelona gab es eine gewaltige An-
häufung von Denkmälern jeder Art und aus allen Zeiten, dabei Tafelbilder in Fülle,
die an Wert und Wirkung zurücktraten hinter den Bildgeweben. Fast nichts von
niederländischer Malkunst. Immerhin ein Glücksfall: aus Palencia, aus der Kapelle
S. Fernando der dortigen Kathedrale, waren zwei Tafeln 1 gekommen, die zu dem Haupt-
altare gehören, und dicht dabei stand die Predelle des Universitätsaltars aus Salamanca.
Ich konnte also bequem und unter günstigen Lichtverhältnissen betrachten, was uns
durch urkundliche Beglaubigung vom Schaffen Juans de Flandes erhalten ist.

Juan war nachweislich seit 1498 im Dienste des spanischen Hofes tätig. Nach dem
Tode der Königin Isabella im Jahre 1504 wurde er ziemlich gleichzeitig für Altar-
werke in Palencia und Salamanca 2 herangezogen. Er starb in Palencia 1519 oder kurz
vorher. Der mächtige Hauptaltar der Kathedrale von Palencia wurde 1506 be-
gonnen, und man gab dafür dem niederländischen Meister mindestens 15 Tafeln in
Auftrag. Als dann das in der Hauptsache aus Holzskulptur bestehende Werk auf-
gestellt wurde, brachte man darin höchst unglücklich nur zwölf von den Bildern
unter. Drei blieben übrig, von denen eines, die Kreuzigung, jetzt im Kapitelsaal zu
sehen ist, zwei, die Kreuzabnahme und die Beweinung Christi, in der Kapelle S. Fer-
nando aufgestellt sind. Alle Teile sind in Palencia dem Auge weit entrückt und
schwach beleuchtet, so daß die Gelegenheit, zwei davon in Barcelona ordentlich zu
prüfen, höchst willkommen war.

In der Beweinung Christi streckt sich der Leib des Heilands steif in Todesstarre auf
dem Schoße der Mutter schräg über die Bildfläche. Der jugendliche Johannes links
stützt und hält den entseelten Körper, rechts die klagende Magdalena und eine andere
Frau, von der nur der Kopf am Bildrande sichtbar wird. Das Hauptmotiv geht auf
Roger van der Weyden zurück, der mehr als einmal die schmerzhafte Gruppe so ge-
fügt hat, auch in dem Marien-Altar, der Replik des Miraflores-Altars, also in einem jetzt
in Granada bewahrten Werke, das Juan gekannt hat, da es im Besitze seiner königlichen
Gönnerin war.

Rogers Maria drückt ihr Antlitz in leidenschaftlicher Hingabe an das Haupt des toten
Sohnes, während Juan mit der milderen Gefühlsweise seiner Generation den be-
herrschten Schmerz der unbeweglich sitzenden Mutter schildert.

Die Kreuzabnahme überrascht mit einer selbständigen Komposition. Vorn rechts, ab-
gewandt von dem grausamen Vorgange, die gestaffelte Gruppe der ohnmächtigen Maria,
die von Johannes gehalten wird, und einer trauernden Frau. Links, weiter hinten, in
etwas verjüngtem Maßstabe, die Männer, die den Leib vom Kreuze nehmen, Magda-
lena in verlorenem Prolil und eine ganz vom Rücken gesehene Frau. Der Leichnam
hängt vorn über, von Binden gehalten, nachdem die Hände von den Nägeln befreit
sind, während die Füße noch genagelt am Kreuzstamme haften.

Die Stilverwandtschaft zwischen den Bildern des großen Altars von Palencia und der
berühmten Reihe der kleinen Tafeln, von denen sicli die Mehrzahl im Palast zn Madrid

1 Ausstellung Nr. 1547—48 (je 157:92 cm).

2 Vgl. G. Moreno, gazette d. b. a. 1908 II, S. 508. Von dem Universitätsaltar in Salamanca ist
nichts als das Predellenstück mit zwei grau in grau gemalten Brustbildern weiblicher Heiligen
übrig geblieben. Es war unter Nr. 2068 in Barcelona ausgestellt (51 : 192 cm) und bestätigte, er-
gänzte auch den Stilbericht der beiden Tafeln aus Palencia.

1 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 1

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