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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 17/18
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Habicht, Victor Curt: Ein unbekanntes Werk von H. Bornemann
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0485

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EIN UNBEKANNTES WERK YON H. BORNEMANN

VON V. C. HABICHT

Das hier erstmalig veröffentlichte Rild, eine der jüngsten Erwerbungen und wirklichen
Perlen des für das Verständnis und die Würdigung der niedersächsischen Kunst rasch
zu großer Bedeutung geführten Roselius-Hauses in Bremen, bedeutet eine fraglos wich-
dge Bereicherung unserer Vorstellung von der lüneburgisch-hamburgischen Malerei
um 1450 und erweist sich dem mit dieser Schule näher Vertrauten auf den ersten
Blick als zu ihr gehörend.

Die nur auf einer Seite bemalte, nicht sehr große (45,8 X 61,8 cm) Eichenholztafel
zeigt unmittelbar auf dem Grund (ohne Kreideunterlage) aufgemalt die Kreuzigung.
Die in warmen und vorwiegend dunklen Tönen gehaltene Malerei, die, wie noch zu
zeigen sein wird, um 1450 entstanden sein muß, besitzt sowohl im Gesamteindruck,
wie in Einzelphänomenen sehr bestechende und überraschende Züge. Der sehr sym-
pathische farbige Gesamteindruck beruht auf folgenden Einzelfarbwerten: Mutter
Christi: dunkelblaues, mit Goldbordüre besetztes und von goldenem Gürtel zusammen-
gehaltenes Gewand, weißes Kopftuchy Johannes: dunkelrotes Gew rand- die an das Kreuz
angelehnte Maria: hellrotes Untergewand, brauner Mantel, weißes Kopftuch; Maria
zwischen Johannes und der Madonna: braunes Untergewand, weißes Kopftuch; Maria
Magdalena: rotgoldbrokatenes Untergewand, blaues, pelzbesetztes Obergewand, rote
Ärmel, weißes Kopftuch; gläubiger Hauptmann: roter pelzbesetzter Rock, dunkelblaue
Ärmel, goldner Gürtel und Schnallen, schwarze, pelzbesetzte Vlütze; Zuschauer daneben
im Hintergrund: Eisenrüstung; der nächste reichgekleidete Zuschauer trägt Eisenrüstung,
darüber schwarzgelbbrokaten Rock, rote Mütze mit IVrlen und Steinen$ der nach oben
blickende, rechte Zuschauer: schwarzes, goldbortiertes Gewand. Die Landschaft er-
scheint in bräunlichen und grünen Tönen, der Himmel unten weißgelb, oben blau.
Christi Körper ist in hellen graugelben Tönen gegeben, die der Schächer dunkler
(bräunlichweiß), das große Tuch des linken Schächers gelb, rot gefüttert.
Selbstverständlicli verdankt das Ganze seine Wirkung unmittelbaren Anregungen in den
Niederlanden, die sich dieser Meister genau so an der Quelle geholt hat, wie es Meister
Francke eine Generation vorher im Westen (Frankreich) getan hat.

Zieht man die Kreuzigung des fränkischen Barbaraaltares von 1447 1 (s. Breslau, Alter-
tümer-Slg.), die des Meisters Pfenning von 1449 2 (Wien, Mus.) oder schließlich die
Konrad Laibs 3 (Graz, Dom) zum Vergleich heran, wird bei unserer Tafel angesichts
der gelungenen Verknüpfung der Figuren mit einer entwickelten I.andschaft (ohne
Goldhintergrund, mit sogar differenziertem Himmel) ein so großer Unterschied deutlicli,
daß schon von hier aus auf fundamentale Stilwandlungen, die natürlich nicht in Ham-
burg gefunden worden sind, geschlossen werden muß. Die reich gegliederte und be-
lebte Landschaft (besonders mit Figuren links vor der Stadt), das realistische neue
Typenideal, die Einfügung porträtähnlicher Köpfe, die einprägsame Verherrlichung
des Stofflichen (Gewänder, Rüstungen, Pelze, Schmuck usw.) weisen eindeutig nur auf
einen ebenbürtigen deutschen Maler der Zeit: Konrad Witz. Gewiß ist Witz der
malerisch bedeutend Überlegenere, aber er ist durchaus nicht der Einzige, der die
westlichen Umprägungen des Bildstils zuerst und genial verarbeitet hat. Wieder gibt
das Werk Meister Franckes — namentlich jetzt nach den mustergültig ldärenden
Untersuchungen von B. Martens 4 — man möchte sagen: die Gewähr dafür, daß die

1 Vgl. C. Glaser, Die altdeutsche Malerei, München 1914. Abb. 79.

2 Ebenda Abb. 82.

3 Ebenda Abb. 83.

4 Vgl. B. Martens, Meister Francke, Hamburg 1929.

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