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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 17/18
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Schmidt, Paul Ferdinand: Walter Gropius
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0501

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Walter Gropius

Bauhaus Dessau. 1926

WALTER GROPIUS

VON PAUL F. SCHMJDT

Das Schaffen von Gropius ging den von nationalen und ökonomischen Bedingtheiten
vorgezeichneten Weg von der Fabrik zur Wohnsiedlung. Vor dem Krieg war infolge
des rapiden Anwachsens unserer Industrie der Fabrikbau das vornehmste Problem^
nach der Inflation trat an seine Stelle das Büro- und Warenhaus, der steigenden Be-
deutung von Binnenhandel und Bürokratie entsprechend, vor allem aber das immer
dringlicher werdende Problem der Massenwohnung für die Großstädte. Dieser natur-
gegebenen Situation hat sich Gropius mit bemerkenswertem Instinkte gefiigt, um beide
Male an den wichtigsten Stellen des architektonischen Bedarfs seine Lösungen zu
bringen, und dies in einer technisch wie ästhetisch glänzenden und weit vorausweisen-
den Form. Sein Verdienst als Bahnbrecher und Eroberer von Neuland ist Eigenschaft
eines wahrhaft produktiven Geistes. Es ist kein Zufall, daß er vom Auslande mit be-
sonderem Nachdruck anerkannt wird, und daß ihm der Werkbund die Einrichtung der
ersten tektonischen Repräsentation Deutschlands in Paris in diesem Frühjahr über-
tragen hat. Solche Erfolge sind nur der Widerschein der Tatsache, daß er schon 1911
den ersten ganz von Glasflächen eingeschlossenen Bau errichtet hat — die Alfelder
Eaguswerke —, daß er den kühnsten Betonglasbau im Dessauer Bauhaus hinstellte und
der konsequenteste Vertreter einer neuen Siedlungsmetliode ist, die in Karlsruhe und
in Haselhorst ihre einstweilige Lösung gefunden hat.

Es wird niemand wundern, daß selbst in dem Fall dieses entschiedenen Neuerers die
Bautradition gewahrt wurde; man muß nur den Begriff der Tradition richtig verstehen.
Auch LeCorbusier setzt ja die Reihe der Erfinder von Monnier und Eiffel bis zu Perret
mit vollkommener Logik f'ort. Gropius konnte an Peter Behrens anknüpfen, dessen
gefestigte Stellung in der deutschen Architektur der Neuzeit (als Erbe von Schinkel
undMessel) heute wohl niemand mehr bestreitet. Als junger Assistent arbeitete Gropius
in seinem Atelier und hat wohl von den großen Fabrikbauten für die A. E. G. seine
bestimmenden Eindrücke erhalten. Aber noch während Behrens sich auf der Höhe
seines großen, von Pathetik nicht ganz freien Massenstils befand, überliolte er ihn mit
dem wahrhaft genial voraustastenden Erstlingswerk der Faguswerke (Schuhleisten-
fabrik von Benscheidt) in Alfeld a. d. Leine, 1911 —1914 erbaut. Nur die durch-
laufenden Vertikalen der schmalen Außenpfeiler und ilire handwerkliche Aufmauerung
aus Backsteinen erinnern an traditionelle Bauschulung; die Konstruktion der Innen-
räume aus Eisenträgern und die lückenlose Ummantelung dieses Hauptbaus mit einer

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