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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 10
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Pander, Arist: Ein Bildnis von Johann Valentin Tischbein (1715-1768)
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0306

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EIN BILDNIS YON JOHANN YALENTIN

TISCHBEIN (1715 -1768) VON ARIST PANDER

Das zunehmende Interesse an der deutschen Kunst des 18. Jahrhunderts und die damit
in engstem Zusammenhange stehende Sichtung des noch allerorts reichlich vorhandenen
Materials hat im Laufe der beiden letzten Jahrzehnte zur Rehabilitation so mancher
noch bis vor kurzem der Vergessenheit anheimgefallenen Künstlerpersönlichkeit ge-
führt. Das gilt nicht zum mindesten für die weitverzweigte KünstlerdynastieTisclibein.
Auf der im Jahre 1 g 14 in Darmstadt veranstalteten Ausstellung deutscher Kunst von 1650
bis 1800 waren fünf Glieder dieser Familie mit charakteristischen Proben ihrer Kunst.
vertreten. Zu dieser Familienphalanx hatte sichnun — undzwar auf der Jubiläums-Aus-
stellung der Staatlichen Kunstakademie in Kassel — ein neues Glied, der Hofmaler in
Hildburghausen JohannValentinTischbein, der Vater Johann Friedrich Augusts, gesellt.
Leider sind wir nur sehr mangelhaft über sein Leben und Werk unterrichtet. Als wich-
tigste Quelle lcommen die Memoiren seines Neffen Wilhelm (»Aus meinem Leben«,
neu herausgegeben von Lothar Brieger, Berlin 1922, S. 27ff.) in Betracht, doch sucht
man hier vergebens nach näheren Angaben über Johann ValentinTisclibeins künstlerische
Tätigkeit. Ein kurzes zusammenfassendes, doch nur in wenigen Punkten über das von
Wilhelm Tischbein Gebotene hinausgehendes Lebensbild desselben Künstlers entwirft
uns Adolf Stoll in seinem aufschlußreichen Buche: »Der Maler Joh. Friedrich August
Tischbein und seine Familie«, Stuttgart 1923, S. 11 ff. Unter anderem ist es Stoll ge-
lungen, auf Grund einer Notiz im Kirchenbuche in Hildburghausen dasTodesdatum Joh.
Valentin Tischbeins (24. April 1768, nicht 1767) definitiv festzulegen, was dem ver-
dienstvollen Verfasser der Einleitung zum Kataloge der Kasseler Jubiläums-Ausstellung,
Dr. Walter Passarge, entgangen ist. Zu Passarges Versuche, eine knappe Charakteristik
von Joh. Valentin Tischbeins Kunst zu geben, wäre eine bisher übersehene Stelle in
WilhelmTischbeinsLebenserinnerungen (1. c. p. 111) hinzuzufügen, in welcher er erzählt,
daß er bei einem Besuche in Hildburghausen bei seiner Tante, der Witwe Joh. Valentin
Tischbeins, noch verschiedene Gemälde von des letzteren Hand, besonders Perspektiven
(im Gartenhause) gesehen hätte; auch Nagler (im Künstlerlexikon) spricht von I.and-
schaften, wohl auf dieser Bemerkung Wilhelm Tischbeins fußend.

Man vermißt es, daß auf der erwähnten Jubiläums-Ausstellung in Kassel keines der
während seiner langjährigen Tätigkeit in Hildburghausen ausgeführten Bildnisse und
keine Veduten, von denen sich doch wohl zweifellos so manche guten Beispiele im
dortigen Privatbesitz verborgen halten, zu sehen waren. Ein solches Bedauern ist um
so gerechtfertigter, als die vier in Kassel ausgestellten Porträts aus dem Besitze der Grafen
Solms-Laubach eine durchaus ansprechende Vorstellung von Johann Valentin Tischbeins
künstlerischer Gestaltungskraft vermittelten. Die ihrer Haltung nach im Geiste des aus-
gehenden Barocks empfundenen Bildnisse zeugen nicht nur von einer großen handwerks-
mäßigenTüchtigkeit, sondern auch von einem feinen koloristischen Geschmack, der in
die Richtung des sich nahenden Rokokozeitalters weist. Die genannten Porträts, die
im Augenblicke wohl mehr oder weniger das gesamte, bisher bekannt gewordene Werk
des Künstlers ausmachen, gehören einem knapp determinierten Zeitraume innerhalb der
Frühzeit seines Schaffens, den Jahren 1740—41, an.

Deshalb dürfte ein vor einigen Jahren im Kopenhagener Kunsthandel aufgetauchtes
und nun im hiesigen Privatbesitz (Dr. Anton Tvilstegaard) befindliches Bildnis von der
gleichenKünstlerhand eine nicht unerwünschteBereiclierung seinesüeuvres bedeuten.

Es handelt sich bei dem hier zum ersten Male veröffentlichtenBilde (Leinwand, 78:66 cm,
im ovalen Ausschnitt gemessen 75:63 cm, gut erhalten) um das Porträt der Gräfin Chris-
tiane Luise von Hohenlohe-Weikersheim (geboren 27. November 1713 als Tochter des

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