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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 15/16
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0476

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Tirol, i5.Jahrh. Kopfreliquiar des hl. Kassian

Aus der VersLeigerung der Slg. Figdor Kupfer vergoldet

am 29. und 50. September in Berlin

SAMMLER UND MARKT

DER WELFENSCIIATZ

Die Geschiehte dcs Schatzes darf als bekannt vor-
ausgesetzt werden. Nachdem der Ankauf durch dic
Stadt Hannover Ende des letzten Jahresleiderschei-
terte, haben dic Frankfurter Kunsthändler J. und
S. Goldschmidt, Z. M. Mackenbroch und L Rosen-
baum den Schatz erworben und nun im Staedel
ausgesteRt. Aus heRen Glasvitrinen leuchten nun
die goldcnen und edelsteinbesetzten Tragalläre und
Reliquiare, Kruzifixe und Ostensorien. Üppigekirch-
lichePrachl, liturgische, sakraleGeräte, demEwigen,
der Weilnmg und Opferung hestimmt, gleißend wic
kostlichcs Geschmeide und dabei slatuarisch gefügt
wieWcrkc der Monumentalplastik und -architektur.
Hauptstücke sind die »Gertrudenkreuze«, nieder-
sächsische Arbeiten um io/io in massivem Gold
auf Eichenholzkern mit ZeRenschmelz, Filigran
und Steinen, resp. Gemmen, Steinen und Perlen.
Der berühmte »Gertrudis-Tragaltar« (ebenfaRs
niedersächsisch) aus der Mitte des :r i. Jahrhunderts
besteht aus einem rechteckigen Eichenholzkästchen
auf einer Porphyrplatte. Darauf goldgetriebene
AposteldarsteRung und deutlich cingravierte In-
schrift »Gertrudis« usw.

Das sogenannte »Welfenkreuz« ist eine italienischc
Arbeit des 11. .Tahrhunderts. Es besteht aus drei
Teilen und zeigt als seltenes, mittelalterliches Bei-
spiel auf dem gewölbten Unterbau des silberver-
goldeten Fußes drei geflügelte Eroten, Todesgenien
mit abwärts gerichteten Fackeln.

Der »Tragaltar des Eilbert« trägt die Inschrift
»Eilbert aus Köln hat mich gemacht«. Auchandere
Werke des Welfenschatzes dürften in derselhen
Werkstatt des Kölner Meislers entstanden sein
Ebenfalls ein Kölner Werk aus hochromanischer
Zeit ist das dekorative »Kuppelreliquiar« in Ge-
stalt einer byzantinischen Kirche, eine Eichen-
holzkonstruktion mit Grubenschmelzplatten und
Schnitzereien.

Das Plenar Otto des Milden ist kulturgeschichtlich
interessant durch die gravierte Rückseite mit dem
Bildnis Ottos des Milden, und durch die Verwen-
dung von Miniaturen und Achatplatten eines ita-
lienischen Schachbrettes des i3. Jahrhunderts, dar-
über liinaus präziös in seiner Farhigkeit.

Noch andere Werke von einzigartigem Wert, wie
zum Beispiel die Elfenbeintafel aus der Maasschule
mit der Darstellung der »Hochzeit von Kanaan«
in zarter Rhythmisierung der Linien, die »Deme-
trius-Tafel« mit byzantinischer Inschrift, das von
drei Löwen getragene, niedersächsische, lateini-
sche »Standkrcuz« sind dargeboten. Kopfreliquiare
aus dem i3. und i !\. Jahrlmndert, mehr als ein
lialbes Dutzend Armreliquiare von seltener Schön-
heit. Das stilisierteste und edelste ist dasjenige des
heiligen Sigismund. dessen erhobene, schlanke Fin-
ger einen Lilienapfel halten. Auch aus dem 14.
und i5. Jahrhundert bedeutende Geräte der Kir-
chenkunst, ernst und feierlich bei aRem Material-
reichtum.

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