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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 12
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Waldmann, Emil: Ein wiedergefundenes Dogenbildnis von Jacopo Tintoretto: Neuerwerbung der Bremer Kunsthalle
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0355

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EIN WIEDERGEFUNDENES DOGENBILDNIS
YON JACOPO TINTORETTO

NEUEllWERBUNG DER BREMER KUNSTHALLE
VON EMIL WALDMANN

Der im Jahre 1547 im Alter von 79 Jahren zum Dogen gewählte und 1533 ge-
storbene Francesco Donato ist nacli Dokumenten, die HenryThode in seinen »Kritischen
Tintorettostudien« 1 erwähnt, von Tintoretto porträtiert worden, wahrscheinlich in
dem Zeitraum zwischen 1547 und 1350. Das Bild war damals nicht mehr nachweis-
bar, doch kennt man den Dogen aus einer Abbildung in Palatius anno 1330 er-
schienenen Dogenbuch 2. Auf der von Tintoretto oder seiner Werkstatt stammenden
»Verlobung der hl. Katharina« jn der Sala del Collegio im Dogenpalast, nach Thode
zwischen 1578 und 1583 entstanden, kommt dieser DogeFrancesco Donato als kniender
Stifter vor. Da er damals schon gestorben war, wird Tintoretto oder sein Geselle ihn
mit Benutzung jenes alten, nach dem Leben geschaffenen Porträts in das Bild hinein-
gemalt haben.

Dieses Gemälde ist kürzlich wieder aufgetaucht und aus deutschem Privatbesitz von
der Bremer Kunsthalie erworben worden.

Ein Brustbild ohne Iiände, auf Leinwand, 69:59,3 cm groß. Vor warmgraublauem
Hintergrunde steht der Mantel und die Mütze des Dogen goldbraun, mit dunkelroten
Ornamenten, in den Schatten der Falten liegen olivgrüne Lasuren. Ein Stück Vorhang
links ist dunkel smaragdgrün, ebenso die Balustrade hinter der Gestalt. Auf ihr zieht
sich ein leuchtend smaragdgrünes Schriftband hin, das die Buchstaben P. B. trägt. Neben
dem Kopf des Dogen steht links ein F (Francesco), rechts ein D (Donato) in dunkel-
grüner Farbe aufgesetzt. Das ganze Bild ist in Tempera gemalt, auf zinnoberrotem
Bolusgrund. Es ist, abgesehen von drei kleinen Austupfungen an Stirn und Bart und
einigen Schäden und Brüchen im Hintergrund gut erhalten. Nur, daß es an den Seiten,
wahrscheinlich an allen vier Seiten, beschnitten ist: Links unter dem Vorhang sieht
man den steingelben Schnörkelrand der Kartusche, die das Wappen des Dogen gezeigt
haben wird.

Bildnisse aus der Zeit Tintorettos, aus der Zeit des ersten großen Meisterwerkes, des
Markuswunders, sind selten. Ein Zweifel an der Eigenhändigkeit dieses Stückes ist vor
dem Original nicht möglich, diese Meisterschaft in der Modellierung des Greisen-
schädels, diese Gewalt des Ausdrucks und diese Art der Farbgestaltung im Fleischton,
die von weitem geselien fast farblos erscheint, in Wirklichkeit aber mit vielern Gelb,
mancherlei Rot, von Rosa bis Krapplack, einigem Grün und Blau, auch Lila, gearbeitet
ist, läßt jeden Gedanken an einen anderen Maler abwegig erscheinen. Auch hatte der
damals dreißigjährige Tintoretto noch keine routinierten Mitarbeiter, und den Dogen
selber, nach dem Leben, würde er auch später nur in allen Einzelheiten eigenhändig
haben malen dürfen. Über derartig plastische Kraft, wie sie in diesem Gesicht uns ent-
gegentritt, verfügte damals in Venedig außer Tizian sonst niemand. Das P. B. anf dem
Schriftband kann schon wegen der Stelle der Anbringung nicht als Künstlersignatur
gelesen werden, sondern bedeutet wohl, nach einer einleuchtenden Vermutung von
Georg Gronau, »Patriae Benemeritus«.

Das sehr schöne und sehr starke Bild stammt aus der im Jahre 1866 in Darmstadt ver-
steigerten Sammlung des Architekten Harris. Im gedruckten Katalog dieser Sammlung

1 Repertorium für Kunstwissenschaft. Bd. XXIII (1900) S. 431.

2 Johannes Palatius: Fasti Ducales ab Anapesto I ad Silvestrum Valerium. Venezia 1550.

25 Der Cicerone, Jahrg. XXII, Heft 12

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