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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 8
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Schmidt, Paul Ferdinand: Erich Mendelsohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0249

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Erich Mendelsohn / Skizze zu einer Maschinenfabrik. 1914

ERICH MENDELSOHN VON PAUL FERD. SCHMIDT

Die junge Generation von Architekten, die den Funktionalismus in Deutschland zum
Siege führte, war während der Kriegs- und Revolutionsjahre bestenfalls zum Projekte-
machen verdammt. Erich Mendelsohn, der am 21. März 1887 im ostpreußischen
Allenstein geboren war und sich 1914 eben als selbständiger Architekt in Berlin
etabliert hatte, konnte also bis 1920 nur Skizzen von überwirklicher Großartigkeit
vorweisen. Sie waren allerdings von besonderer Art, schon graphisch durch starke
Flächenkontraste von Schwarz und Weiß gekennzeichnet, ungemein kühn im Be-
wältigen großer Massen und in Verwendung moderner Eisen- und Betonkonstruktionen,
ganz im Bilde der neuesten Entwicklung, auch in bezug auf den Zweck der Vorwürfe,
die Industrie- und Bahnanlagen, Silos, Flughäfen und Filmateliers galten. Das Leit-
moliv seiner späteren Fassaden, die horizontal gebänderte Glaswand, erscheint schon
1917 vor allem in demEntwurf für das »Haus der Freundschaft« in Stambul.

Diese frühen Skizzen enthalten aber den ganzen Mendelsohn auch nach anderer Rich-
tung: sie sind aus dem Geist der Musik geboren und ebenso beschwingt in rhythmi-
scher Phantasie der Raumbeherrschung wie gehorsam den Forderungen der neuen
Materialien und Konstruktionen und dem funktionalen Zweck der jedesmaligen Auf-
gabe. Diese allseitige Bedeutung für Mendelsohns Künstlertum und Vorwegnahme
seiner späteren Praxis in phantastischen Erfindungen macht sie trotz ihres utopischen
Charakters so wichtig für sein Werk, daß sie in der schönen Publikation des Mosse-
Verlages einen breiten Raurn einnehmen. Auf dieses Buch, das keinen kritischen Be-
gleittext, dafür aber 400 Abbildungen nacli Entwürfen und Bauten enthält, muß sich
jede Erörterung über Mendelsohn berufen. Es wäre zu wünschen, daß in dieser vor-
bildlichen Form von jedem schaffenden Architekten Projekte und Gebautes dokumen-
tarisch festgehalten würden 1.

Das künstlerische Schaffensprinzip war bei Mendelsohn also schon in der auftragslosen
Vorbereitungszeit vorhanden. In dem ersten Bau, den er 1920/21 errichtete, dem so-
genannten Einsteinturm bei Potsdam (Astrophysikalisches Institut), sammelte er noch
einmal allen Überschwang bildender Phantasie dergestalt, daß er aus musikalischen
Gefühlssphären den Raum in plastischen, nicht architektonischen Rhythmen zur Form
erstarren ließ und einen monolithen Turm aus Betonmasse gleichsam geknetet hin-

1 Erich Mendelsohn, Das Gesamtschaffen des Architekten. 402 Abb. Rudolf Mosse Buchverlag.
Berlin 1930.

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