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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 5
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Wolfradt, Willi: Henri Matisse: zur Ausstellung in der Galerie Thannhauser, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0157
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Henri Matisse Stilleben und Torso. 1925

Aus der Matisse-Ausstelluug der Galerie Thannhauser, Berlin

sinnung, gegen den Urheber einer so weitausstrahlenden Schulung nur der Verzicht
auf alle Problematik geltend zu machen w’äre. Das liegt nicht an irgendwelcher Um-
kelu', an einem selbstverräterischen Nachlassen der schöpferischen Kraft. Stets hat
Matisse in seiner planvollen Sorglosigkeit die eigentliche Gegenerscheinung zum Ku-
bismus gestellt, und so bedeutete gerade er dem deutschen Maler die reinste Ver-
körperung des westlichen Elysiurns. Matisse liat einmal wie ein Vorstoß gewirkt, jetzl
hat er sicli zur französischen Tradition gefügt, in Vielem unmittelbar an Renoir an-
schließend. Immer noch strömt durch seine Bilder frische, süß zu atmende Luft in den
Raum der europäischen Kunst, frei von akademischem Staub. In ihm ist die Gleich-
gültigkeit des Dekorativen gegen die Ängste und Erwartungen der Welt. Er schafft
unbekümmert für den Genuß, aber aus jeder seiner Farben bricht Hoffnungsschein,
jede seiner Harmonien umfängt liebkosend und tröstlich.

Die scliöne Ausstellung bei Thannhauser, die mit den Impressionen eines Monet-
Schülers einsetzt, sorglich weiterschreitend an mehreren Werken (wie etwa dem
schwarzhaarigen Kopf eines liegenden Mädchens mit der Kaffeetasse), die zeitweilige
Artnähe zu Derain aufweisen kann, wendet sich hauptsächlich der Produktion der
letzten fünf Jahre zu. Sie gewährt aber daneben dem Zeichner, dem Radierer und
dem Plastiker keinen geringeren Raum. Und das mit vollem Recht, denn es ist sehr
wichtig, zu erkennen, wie unabhängig Matisse im Grunde von der Farbe bleibt, die

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