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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 6
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Erdmann, Kurt: Zur Frage der ältesten orientalischen Teppiche
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0182
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nehmen, daß sie gegen den orientalischen Ursprung des Stückes spräche. Allein bereits
im Jahre i 8g i hat A. Riegl darauf aufmerksam gemacht, daß die nordische Textil-
industrie einen gewissen Zusammenhang mit den frühen orientalischen Teppichen
zeigt. Das Beweismaterial, mit dem er seine Behauptung stützen konnte, war im Grunde
nicht ausreichend, da die zitierten Beispiele nur die Felderteilung mit den Teppichen
gemeinsam hatten, als Muster aber rein abendländisch gezeichnete Figuren verwendeten.
Riegls Feststellung wurde übernommen, ohne daß unseres Wissens das Beweismaterial
vervollständigt worden wäre. Und doch befindet sich im Besitz des Nordiska Museet
zu Stockholm ein Kissenbezug, der eindeutig einen Teppich von der Art des Berliner
Stückes nachahmt (Abb. 4). Die Bordüre wird allerdings von einer gotischen Wein-
ranke gebildet, das quadratische Innenfeld aber zeigt bei ähnlicher, wenn auch wenig
geschickter Überführung ins Achteck in den verbleibenden Zwickeln in vereinfachter
Form die bekannten reziproken Zinnen und in der Rahmenleiste ein Motiv aus zwei
Dreiecken, das an das Muster der Begleitstreifen des Berliner Teppichs erinnert. Die
Tierfigur im Innenfeld kann nur als Drache gedeutet werden und ist nach einem Vor-
bild entworfen, das dem Drachen des Berliner Teppichs ziemlich entsprochen haben
muß. Am deutlichsten wird der Zusammenhang beim Kopf des Tieres. Der Körper
besteht nur noch aus den Beinen, die hakenförmigenKrallen sind zu dreieckigen Spitzen
geworden, stimmen aber in der Anordnung mit denen des Berliner Drachens durch-
aus überein. Für den Phönix blieb offenbar kein Platz mehr, seine Reste wird man
vielleicht in dem Würfel und Haken über dem Kopf des Drachens erkennen können.
Mit diesem Stück ist der bindende Beweis erbracht, daß nordische Textilien orienta-
lische Teppiche nachahmen. Beispiele der frühen Gattungen müssen sich also im
Lande gefunden haben, wohin sie als Beute norwegischer Seeräuber, die ihre Züge oft
bis ins Mittelmeer ausdehnten, sehr wohl gelangt sein konnten. Einer dieser Teppiche
ist uns erhalten, es ist der Teppich im Statens Historiska Museet zu Stockholm, dessen
Provenienz aus einer schwedischen Dorfkirche damit nichts Befremdendes mehr hat.
 
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