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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 9
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Sammler und Markt
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0295
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Schweiz oder Elsaß, um 1460 Behang. Lcinen mit Weißstickerei

Vermutlich nach einem Entwurf des Hausbuchmeisters
Aus der Versteigerung der Sammlung Figdor, erster Teii, in Wien, am 11.—15. Juni

SAMMLER UND MARRT

NEUERWERBUNGEN DES ARC1IÄ0L0GISCIIEN
MUSEUMS IN LEIDEN

Das »Reichsmuseum für Altertümer« in Leiden,
vor allem berülnnt durch seine ägyptische Samrn-
lung, hat kürzlich einige selir scliöne Proben spät-
römischer Kunstindustrie erworben, die im äußcr-
sten Süden des Landes, in Limburg in der Gegend
von Heerlen, in ausgegrabenen Steingräbern ge-
funden worden sind. Dazu gehören u. a. zwei Glas-
flaschen in der Form einer hängenden Weintraube,
die fast ganz mit zwei im Museum in St. Germain
en Laye bei Paris bewahrten Fläschchen überein-
stinnnen und aller Wahrscheinlichkeit nach aus
derselben Form geblasen sind. Dieselben stammen
wohl nicht aus dem germanisch-keltischen Fund-
gebiet, sondern, ebenso wie einige kleine Skulp-
turen aus Bernstein, aus den älteslen, südlichen
Teilen des römischen Reiches. Unter diesen Ar-
beiten in Bernstein nimmt ein schlafender Eros
mit einer Eidechse, dem bekannten Motiv der römi-
schen Sarkophage, den ersten Rang ein.

Das kostbarste Stück des Grabfundes ist aber ein
kleincs goldenes Fläschchen, mit Filigrariarbeit
überzogen, deren Felder ursprünglich alle mit
blauem Email gefüllt waren, wie die zahlreichen
Reste noch anzeigen, also eine der seltenen Prohen
von antikem email cloisonne, wie sie sonst nur
in dem griechischen Kulturgebiet von Südrußland
aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert ge-
funden worden sind.

Selir merkwürdig sind auch die kleinen Schildpatt-
plättchen, die ebenfalls aus diesem Grabe stammen
und mit denen offenbar ein kleines hölzcrnes Käst-
clien eingclegt war, dessen IIolz fast ganz verzehrt
ist. Nur aus der Literatur war diese mit dem
Luxus der Kaiserzeit aufkommende Verzierungs-

weise bisher bekannt, Proben davon waren aber
noch nicht gefunden. An einem der Schildpatt-
slückchen sitzt noch das Bronzeschloß fest, womit
das Kästchen geschlossen wurde. M. D. IJ.

DIE WIENER FIGDOR-VERSTEIGERUNG

Drei große Gebiete der Sammlung Figdor werden
in dreitägiger VersLeigerung, die, wie wir bereits
rnelden konnten, vom 11. bis i3. Juni im Fest-
saale des Schwarzenberg-Kasinos in Wien vonstat-
ten gchen wird, durch Paul Gassirer, Artaria und
Glückselig zum Ausgebot kommen: die Textilien,
die Metallarbeiten, ausgenommen die Bronzen des
Mittelalters und der Renaissance, und die Möbel.
Gebiete, die zu denen gehören, denen Figdor mit
besonderer Leidenschaft anliing. Die Sammlung
der Textilien umfaßt vier Gruppen, von denen
die Bildteppiche und Bildwirkereien in diesem
Flefte gesondert gewürdigt wurden, während an
dieser Stelle eine Besprechung der Samt- und Sei-
denstoffe, derStickereien undSpitzen und der orien-
talischen Knüpfteppiche nachzutragen ist. Von den
Stoffen galt das Ilauptinleresse des Sammlers den
polychromen Samten Italiens des i5. Jahrhun-
derts. Sie sind wohl in keiner Privatsammlung
besser vertreten als hier. Florentinische und vene-
zianische Arbeilen machen den Hauptteil der Kol-
Iektion aus. Zu den schönsten Stückcn, die im ein-
zelnen zu nennen der Raum verbietet, zählen ein
Samtbrokat mit einern Muster aus Goldrosetten
und Blättern in Grün und Blau (Nr. 100), ein flo-
rentinischer Goldbrokat mit roter Samtmusterung
(Nr. 1 o3) und ein venezianischer Samtstoff mitTier-
muster, das größte erhaltene Stück dieser Gattung
(Nr. 111). Ihnen schließen sich orientalische, fran-
zösische und deutsche Stoffe an.

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