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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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Heft 11
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0346
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und ein Apostelkopf, beides Bilder, die aus der
Sammlung Syngros in Athen stammen.

Mit einigen guten und charakteristischen Stücken,
einer Anbetung der Hirten (früher beim Iderzog
Rutland, Belvoir Gastle) umd einer Madonna mit
der H. Rosa (früher Sammlung Douglas) ist Mu-
riUo vertreten. Überraschend wirkt das aus der
Sammlung Donnat stammende, ebenfalls dem Mu-
riüo zugeschriebene lebensgrof5e Porträt eines
Mannes in ganzer Figur.

Prachtstücke sind von Ribera und Zurbaran zu
sehen. Das Porträt eines Santiago-Ritters (früher
in der Sammlung des Herzogs von Osuna) gehört
sicher zu den stärksten Arbeiten des Meisters. Yon
erstaunlicher Kraft der Farbe ist das bezeichnete
uncl i633 datierte Stilleben des Francisco Zurba-
ran, vielleicht das vorzüglichste Stück der ganzen
Schau. Ebenfalls ausgezeichnel sind die »Geburt
Mariae« (früher Sammlung Theodore de Berck-
hein) undÄMaria mit Joachim und Anna« des
gleichen Meisters.

Weniger glücklich dürfte Yelascjuez vertreten sein.
Wirklich charakteristisch erscheint. nur das Bild-
nis eines Edelmanns (Klassiker der Kunst, Yelas-
cjuez, 4- Auflage, S. 35/36), das der Katalog etwa
in das Jahr 1629 setzt. Die beiden andern kleinen
Porträts (Nr.- 56 und 62) lassen noch kaum den
großen Menschendarsteller, zu dem sich Velasquez
später entwickelt hat, ahnen. Durch den Gegen-
stand seiner Darstellung interessant ist das als
»Omaggio a Tiziano« bezeichnete Bild (Nr. 61),
auf dem der Genius der Malerei in Gestalt eines
Putto den »Petrus Martyr« des Tizian kopiert.
Nicht ganz üherzeugend erscheint die Zuweisung
von zwei Ileiligengestalten an Velasquez (Nr. 5g
und 60), über deren Provenienz der Katalogkeine
Angabe macht.

Von Mazo, dem Schwiegersohn des Velasquez, ist
das ausgezeichnete Porträt eines Sanliago-Ritters
.(friiher Sammlung Douglas) zu sehen.

Praehtvoll wiederum ist Goya vertreten. Ich nenne
Stücke, wie das Porträt eines Torrero, des Malers
Cameron und des Infanten Don Antonio Pascual,
fcrner von den figürlichen Darstellungen den far-
hensprühenden Bozzetto zu einem scheinbar nicht
ausgeführten Gemälde einer Assunta.

Aon einem unbekannten Maler (Monogrammist
D G) stammt das sehr charakteristische ganzfigu-
rige Porträt der friiheren Sammlung Nelidoff in
Paris. Historisch interessant sind die 20 Skizzen
des Vincenzo Carducho zu seinem heute über die
verschieclensten Sammlungen Spaniens verstreuten
Zyklus der Karthäusergeschichten. Erwähnt sei
schließlich noch als besonders eindrucksvoll das
Porträt der Gemahlin PhilippsII., Elisabeth von
Valois, von Sanchez Coello.

Wie man aus den genannten Bildern sieht, handelt
es sich liier um eine Ausstellung von ungewöhn-
lichem Format, in der jedes einzelne Stück seine
Bedeutung hat. Die Aufstellung der Rilder in vier

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gut beleuchteten Räumen der Galleria d’arle mo-
derna ist ebenfalls gut gelungen. Besonderes Lob
verdient schließlich der von Roberto Longhi und
August L. Mayer mit hervorragender Gründlich-
keit gearbeitete Kalalog, der auf 65 Tafeln jedes
einzelne Stück zum Teil mit Detailaufnahmen ab-
bildet, dem der Verlag Bestetti und Tumminelli
ein einwandfreies typographisches Gewand verlie-
hen hat 1. Ludwig Schudt

DER DEUTSGHE WERKBUND IN PARIS
Ohne dem Urteii unseres Pariser Mitarbeiters P.
du Colombier oder gar dem von S. Giedion für
den Cicerone vorbereiteten größeren illustrierten
Beitrag vorgreifen zu wollen, sei doch lieute schon
folgendes notiert:

Die in einem Seitenflügel des Grand Palais unter-
gebrachte »section allemande«, dio einerEinladung
der »societe des artistes decorateurs« folgte, fixiert
im Sinne der kulturellen Beziehungen zwischen
beiden Völkern eine Tatsache von geradezu histo-
rischer Bedeutung. Es ist das erstemal, daß die
französische Vereinigung einer selbständigen aus-
ländischen Abteilung ihre Räume zur Verfügung
gestellt hat — und es ist ein großes Glüek für
beide Teile, daß die Aufgabe als solclic dem deut-
schen Werkbund unter der besonderen Leitung
von Walter Gropius übertragen werden konnte.
Dieser hat die Planung und den Aufbau der Aus-
stellung mit seinen Mitarbeitern Moholy-Nagy,
Marcel Rreuer und Herbert Bayer durchgeführt,
die sich ihrerseits in vorbildlicher Weise derkünst-
lerischen Autorität des Leiters unterordneten, so
daß das Ganze einen absolut einheitlichen Cha-
rakter aufweist. Was an Einzelräumen im Sinne
einer modernen Idee gezeigt wird (Gesellsehafts-
raum eines zehnstöckigen Wohnhochhauses u.a.),
erhärtet den Standpunkt unserer europäischen
Situation, nicht weniger aber auch die Höhe unse-
rer künstlerischen Weltanschauung. Das Ziel der
Vereinheitlichung unserer Lebensformen oder —
wie es Gropius genannt hat — der Wille zur Ent-
wicklung eines einheitlichen geistigen Weltbildes
ist wohl selten ähnlich klar zutage getreten. Die
Leistung selbst überzeugt — und in allerstärkstem
Maße gerade auf der anderen Seite — weil Ge-
sehmack und Ehrlichkeit der Gesinnung das Zei-
chen der künstlerischen Formung sind, die ilirer-
seits nicht nur durch Zweckmäßigkeit, sondern in
vielen Fällen auch durch die neuen technischen
Mittel bestimmt ist. Eine solche Ausstellung wer-
tet aber um so höhcr, als sie in einern so selir von
der Tradition bestimmten Lande wie Frankreich
leicht zu einem Fehlschlag hätte werden können,
wenn sie nur an einem einzigen Punkt das hohe
künstlerische Niveau irgendeiner Konzession we-
gen verlassen haben würde.

1 Gli antichi pittori spagnoli della Collezione Contini-
Bonacossi. Catalogo critico redatto da Roberto Longhi
e Augusto L. Mayer. Roma 1950. 55 S., 65 Taf. 8°.
 
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