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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

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[Heft 13/14]
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Hugelshofer, Walter: Koerbecke und der Marienfelder Altar von 1457: ein Beitrag zur westfälischen Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0406
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Propheten des alten Bundes,
stehendieZwölfbotenda. Nicht
ohne Kühnheiten im Gestus und
in der Haltung (das verlorene
Profil des blonden Johannes
vorne), die an Meister Francke
und an Dijon erinnern. Der
Brunnen Sluters in der Kartause
vonChampmol fällt einem ein.
Und nach dem Westen, auf
flämischen Boden scheint auch
anderes bei Koerbecke zu wei-
sen. Ob es dort einmal ein ähn-
liches Vorbild gab? Sei es — es
bliebe auch dann noch genug,
was uns Koerbecke höher ein-
schätzen ließe, als es bisher
derFallwar. Dieser statuarisch
geschlossene, blockhafte Wurf
der Gewänder läßt an Dürers
Heller-Altar erinnern, der auch
in der Komposition Verwandtes
hat. Die farbige Nuancierung
und Differenzierung der ver-
schiedenen Rot, Blau, Grün
bis zu Lila, Gelb und Braun und
schon gar die höchst sorgfältige
Ausführung jedes Details sind
Qualitäten, die um 1460 nicht
rnehr so ganz selbstversändlich
Abb. 5. Koerbecke Kreuztragung waren. — Die blauen, gefieder-

Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin ten Engel in den Zwickeln, die

wohl auch von Lochner her-

kommen, entsprechen der Einfassung bei den übrigen Bildern der unteren Zeile innen.

Es ist nicht eine in die Zukunft weisende Leistung, sondern eine, die ihr Bestes aus
dem liohen Stil zu Anfang des Jahrhunderts gewinnt. Auch hier zeigt es sich wieder
einmal, daß in der deutschen Kunst Qualitätshöchstleistungen öfters spät und isoliert
auftreten, nicht wie in Italien und Frankreich zu Beginn einer Stilentwicklung.

Zwei Innentafeln, Gefangennahme (Abb. 2) und Kreuztragung (Abb. 5), sind voriges
Jahr in der Gegend von Dijon aufgetaucht und von der Galerie Hinrichsen & Lind-
paintner in Berlin erworben worden. Die Kreuztragung hat sich seither Geheimrat
Max J. Friedländer für das Kaiser-Friedrich-Museum gesichert, so daß der Meister nun
auch mit einer charakteristischen Arbeit an sichtbarster Stelle zur Wirkung kommt. Ich
danke auch an dieser Stelle bestens für die freundliche Reproduktionserlaubnis. Wenn
man vom Realismus Koerbeckes sprach, hat man immer solche Außenseiten vor Augen
gehabt, ohne vielleicht genügend zu bedenken, daß der Passion mit den vielen be-
wegten und stark gegenständlich bedingten Szenen an sich eine gewisse Hinwendung
zum »Realistischen« verknüpft ist. Schon gar im Vergleich zu den ungleich beschau-
licheren und stilleren des Marienlebens. Richtig ist ohne Zweifel, daß die Passionsdar-
stellungen der Außenseiten, verglichen mit den Szenen aus dem Marienleben auf den

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