Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

DOI Heft:
[Heft 13/14]
DOI Artikel:
Hugelshofer, Walter: Koerbecke und der Marienfelder Altar von 1457: ein Beitrag zur westfälischen Malerei
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0405

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
luug Doetsch, die Darstellung
im T empel im N ewY orlt er Han-
del, die Himmelfahrt Christi in
Basier Privatbesitz und eben
auch den Tempelgang Mariae
in Krakau schuf — Werke von
nicht minder poetiscliem Reiz,
nicht minder leuchtend von
Gold und Farben. Und von
diesen Teilen der Innenansicht
führen soviel Wege zu den
Außenseiten, daß eine an sich
schon unwahrscheinlicheTren-
nung zur Unmöglichkeit wird.

Sicher ist diese großgefaßte
und untadelig durchgeführte
Himmelfahrt der Maria das
Werk einer besonders begna-
deten Stunde — auch wenn
sie sicli einmal etwa als Ab-
kömmling eines, soweit wir
heute sehen, zur Zeit nicht
nachweisbaren Vorbildes er-
weisen sollte, so wie ja auch
die Darstellung im Tempel
nach der Darmstädter Tafel
Stephan Lochners geschaffen
wurde.

Wir miissen angesiclits dieses
überraschenden Dokumentes
zurück zum frühen Dortmun-
der Marienaltar, zu Meister
Francke, um etwas Ebenbürti-
ges zu nennen. Fast alle anderenTafelnKoerbeckes teilen mehr oder weniger deutlich den
Zug der Spätgotik (nicht nur im deutschen Kunstbereich) zum Eingeschränkten, Klein-
bürgerlichen und Gedriickten. Hier ist einmal von solchem Vorbehalt nichts zu spüren.
Da spricht sich eine große Gesinnung ungebrochen und mit mächtigem Elan aus. — Zwei
Hälften hat das Bild: oben Maria von Christus inmitten seiner Engelscharen liebevoll auf-
genommen; leicht aus der Mittelachse herausgerückt erhält diese gefühlvolle Szene
durch den aufrauschenden Rhythmus im Mantel der Madonna und die farbig ungemein
reizvoll und delikat abgestimmten vier Dreiergruppen köstlich musizierender Engel vor
dem Gold des reich punzierten Grundes etwas Schwebendes, Jubilierendes undGetragenes.
Etwas so Entzückendes und Liebliches wie diese hingegebenen Engelkinder gab es in der
Malerei seit Lochner nur selten wieder. Von ihm, dessen Werk Koerbecke gekannt
hat, kam ihm wohl die Anregung dazu. Ganz anders ist die Stimmung der unteren
Zone. Großartig pathetisch die Gruppen der innerlich erregten Apostel zu beiden
Seiten des leeren Sarkophages. Voll von ergriffenem Ernst, ja fast bäuerisch-finsterer
Wucht ist der Ausdruck der individuell erfaßten und gut zusammengefügten Ge-
stalten und voll monumentaler Größe die Drapierung ihrer Mäntel. Keiner zeigt ein
seliges Leuchten; da herrscht nur feierlichste Strenge und Würde. Machtvoll, wie die

Abb. 2. Koerbecke Gefangennahme Christi

Galerie Hinrichsen & Lindpaintner, Berlin

573
 
Annotationen