Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (22.1930)

Kambly,
Eckschrank. 1756

Stadtschloß

Polsdam

»Morel Doreur Fran Say«, zum Teil nach Entwurf von Knobelsdorf (81), zeigen den
Schwung des Potsdamer Rokoko und den Reichtum des verwendeten Materials. Der
Schreibtisch(i44) desKönigs aus demPotsdamer Stadtscldoß mit seinem edlen silbernen
Beschlag mutet in der Form fast wie ein französisches Möbel an und zeigt doch in
den Einzelheiten die Lebendigkeit deutscher Erfindung, die sich bei dem farbig intar-
sierten Schreibtisch von Spindler (146) mit seiner für die Herkunft charakteristischen
schrägen Schreibplatte in reichster Üppigkeit ergeht.

Betrachtet man die, von dem zuerst in Berlin und später in Kassel tätigem, Nahl ent-
worfenen Rahmen der Wilhelmstaler Schönheitsgalerie (148, 150 usw.), so fällt der
Übergang zum Kasseler Rokoko nicht schwer. Leider ist es nicht besonders gut ver-
treten, da wohlerhaltene Möbel dieser Zeit in den Kasseler Schlössern nicht häufig
sind. Einige vergoldete Lehnsessel (159) und ein mit Lackplatte versehener Tisch (160)
müssen aushelfen. Aus der Not wurde aber eine Tugend gemacht, indem man in
dem Kasseler Raum frühe Roentgenmöbel vereinigte. Mit gewissem Recht, denn
Roentgenmöbel sind schließlich charakteristisch für alle Hofhaltungen jener Zeit: die
für Kassel gelieferte Uhr (166) und der frühe Schreibtisch (175) aus der Zeit Abraliam
Roentgens, ein Toilettetisch (149) ausHomburg und der ovale Tisch (170), den Friedrich
der Große 1770 mit 15 Louisdor bezahlte, beweisen das zur Genüge. Aber auch fran-
zösische Eckschränke (157, igi) dokumentieren in dem Kasseler Raum ebenso wie die
aus Wilhelmstal stammenden Kommoden (17g, 180, 187, 195, 197) in der »Tribuna«,
in der das in einem Rahmen vereinigte »Firmenschild Gersaints« hängt, welchen her-
vorragenden Platz Erzeugnisse der französischen Ebenisterie am Kasseler Hofe ein-

5 I o