Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 22.1930

DOI Heft:
Het 21/22
DOI Artikel:
Schubring, Paul: Eine Maddalena von Francesco di Giorgio
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27696#0585
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Abb. 1. Francesco di
Giorgio. Tonbiistedes
jugendlichen Täufers

Berlin,

Kaiser-Friedrich-

Museum

EINE MADDALENA YON ERANCESCO D1

GIORGIO VON PAUL SCHUBRING

In dem außerordentlich wichtigen und inhaltsreiclien Aufsatz über toskanische Quat-
trocentoplastik, den Planiczig im Wiener Jahrbuch 1929 erscheinen ließ, ist u. a. die
von Venturi als Leonardo publizierte Tonbüste eines jugendliciien Täufers in Berlin
(Nr. 117) mit Recht dem Sienesen Francesco di Giorgio zugeschrieben worden (Abb. 1),
dessen Autorschaft für die vier viel debattierten Reliefs, die Bode Leonardo zuwies,
nun wohl auch feststeht. Zu gleicher Zeit bestätigte Planiczig einige Vermutungen,
die ich seinerzeit in meiner »Plastik Sienas« 1907 aufgestellt hatte, die zwar nicht
dokumentarisch, aber stilistisch auf Krancesco weisen. So hat zwar Tizio überliefert,
daß die große Gruppe der Kreuzabnahme in der Osservanza bei Siena von Cozzarelli
gearbeitet sei; dies Werk erhebt sich aber so hoch über Cozzarellis sonstiger Mittel-
mäßigkeit, daß Francescos Geist deutlich zu spüren ist. Ebenso liat zwar de Nicola das
Dokument gefunden, daß die schöne Magdalena in Santo Spirito in Siena 1504 von
Ambrogio della Robbia, dem Bruder Giovannis, gearbeitet isL• aber dieser Name sagt
uns niclits, das Kunstwerk ist siclier nicht florentinisch, sondern ganz von sienesischem
Geist erfüllt, wie er durch Francesco di Giorgio am Ende des Jahrhunderts Gestalt und
Seele gewonnen hat. Planiczig liat diese sensitive, nervöse, reizsame Art sehr gut um-
schrieben, so daß ich nicht zu wiederholen brauche. Wir wissen heute, daß Francesco
in Florenz bei Verrocchio gewesen, hier und in Urbino die eigene Formsprache ge-
funden liat, die ihn befähigte, in der Zeit, als Savonarola Florenz sehr derbe und mas-
sive Passionsplastik aufzwang, eine Leonardo verwandte, feinere und zartere Beseelung
— die er schon bei seinem ersten Lehrer Sassetta erlebt und ersehnt hatte — in Ton
und Bronze zu gestalten. Die Kreuzabnahme in Santa Maria del Carmine in Venedig

549
 
Annotationen