Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Clemen, Paul
Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden — Düsseldorf, 1916

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.22845#0426
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
392

brauweiler: kapitelsaal.

weichenden Namensschreibung ist auch an den bekannten Hauptvertreter des Einsiedlerlebens, Arse-
n i u s , nicht zu denken, weil dieser erst in der zweiten Hälfte des 13. Jh. lebte und starb. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach handelt es sich hier um die Darstellung einer uns nicht näher bekannten Legende,
gemäß welcher eine virgoMelania, also entweder die ältere oder die jüngere Heilige dieses Namens,
durch einen Verfolger bedrängt wurde, der Assinius hieß87.

Zu diesen Deutungsversuchen ist zunächst richtigzustellen, daß der von aus'm Weerth erwähnte
A r s e n i u s am 19. Juli 354 zu Rom geboren wurde und zu Troe um 450 starb. Wenn daher chrono-
logisch seinem Auftreten in den Wandmalereien von Brauweiler nichts im Wege stände, so paßt doch die
dargestellte Szene nicht in seine Vita. Ebenso wenig bieten die Legenden der beiden Melanien
Anhalt zu einer Deutung. Überhaupt ist die Ergänzung der von ihm selbst vorgefundenen Schriftreste

........ni . v .... zu .... Melani . Virgo von Reichensperger durchaus willkürlich, und nur seine

Lesung assisii statt assinii verleitete ihn dazu. Die Schriftreste, die Reichensperger und Hohe vor-
fanden, rechtfertigen weder den Reichenspergerschen Deutungsversuch noch den von aus'm Weerth.

Nach den Zeichnungen von Rüben und Hohe und der Beschreibung von Reichensperger scheint
es, daß die sitzende Person mit Nimbus deutlich als weibliche Heilige, die beiden anderen Gestalten
als Männer ohne Nimbus erkennbar waren. Die Restauration hat diese drei Figuren selbst, nach den
vorgefundenen Fragmenten, wie sie die Hohesche Zeichnung gibt, wohl richtig in Verbindung gesetzt.
Die Szene stellt demnach dar, wie eine Heilige von zwei graubärtigen, also älteren Männern in offenbar
unzüchtiger Absicht angefaßt wird. Wir meinen, diese Darstellung geht auf die später so beliebte
Geschichte der von den beiden Alten Überfallenen keuschen Susanna zurück,
wie sie in der Apokryphenschrift von Susanna und Daniel erzählt wird". Inhaltlich würde sie als Gegen-
stück zu der Szene von Zosimas und der Maria Ägyptiaca sich durchaus dem in dieser Kappe versinn-
lichten Gedankengange anschließen. Wenn die kniende kleine bärtige männliche Gestalt mit dem
Spruchband in den betend erhobenen Händen keine willkürliche Zutat der Restauration ist, sondern
auf nachträglich aufgedeckte, von Reichensperger und Hohe nicht bemerkte Fragmente zurückgeht,
so möchten wir, im Anschluß an unsere Deutung, bei der Kleinheit der Figur, durch die sonst Knaben
charakterisiert werden, an den Knaben Daniel denken, der die Unschuld der Susanna bewies.

Die Stelle, die den Szenen zur Unterschrift beigegeben ist, nach Hebr. 11, v. 37: Circuierunt in melotis,
in pellibus caprinis, egentes, angustiati, afflicti, faßt der Künstler „als die Lehrpredigt für die durch
den Glauben an künftige Belohnung in einem besseren, von Versuchungen nicht mehr gefährdeten
Jenseits geleitete irdische Entsagung und fleischliche Ab.tötung auf"88.

3. Ostkappe. Den Trennungsstreifen der Mitte verdeckt ein hohes schmales, gelblich gehaltenes
Gebäude, bestehend aus einem höheren, mit Rundbogenattika und Dreieckgiebel abschließenden Mittel-
bau, dessen Front von einer durchgehenden Rundbogenöffnung eingenommen wird, und zwei ebenfalls
von einer Rundbogenöffnung ausgefüllten Fronten niedrigerer Seitenbauten, die sich mit einem Pult-
dach an den Mittelbau lehnen. In der mittleren Türöffnung die senkrechte Buchstabenzeile: treviris89
(Taf. XXV farbig).

Mit dem Rücken gegen das Gebäude steht im S ü d f e 1 d ein bärtiger, grauhaariger Heiliger, mit
großer Tonsur (nach Hohe mit Mütze), in Halbschuhen und langem, über den Handgelenken das
blaue Unterkleid und von den Waden abwärts die roten Beinkleider freilassendem, um die Hüfte gegürte-
tem Rock. Die Rechte stützt er auf einen Krückstock, die Linke steckt er einem ihm aus der Ecke ent-
gegenspringenden bartlosen (in den alten Aufnahmen offenbar bärtigen) Centauren (rötlich und gelblich
gefärbt) entgegen. Dieser stemmt seine Linke in die Hüfte, während er die Rechte mit hoch erhobenem
Arm dem Heiligen entgegenschwenkt.

87 Für die beiden Melanien vgl. Tillemont a. a. 0. X,
591, 821: Melanie Payeule; XIV, 233, 745: Melanie la jeune.

- Räss und Weiss a. a. 0. XIX, S. 160. — Analecta Bol-
land. tom. VIII, 1889. Vita S. Melaniae junioris auctore
coaevo et sanctae familiari (ex cod. Carnob.) u. tom. XXII,
1903, p. 5—49: S. Melaniae junioris Acta Graeca, wo auch

beim Besuch des Klosters Nitria Assisius nicht erwähnt
wird. — Vgl. Stadler und Heim, Heiligenlexikon IV,
S. 401 f.

88 aus'm Weerth S. 6, 2. Sp.

89 Hohe und die bezl. Zeichnung von Ramboux im
Kölner Museum haben treveris.
 
Annotationen