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brauweiler: kapitelsaal.
über die Figuren selbst und sogar über den Kopf des Kindes weg und sieht deutlich wie eine spätere
Zutat aus. Der Sitzende ist auch bei Hohe als Mönch zu erkennen, als Frau die Gestalt vor dem Bischof,
von dessen Kopf Hohe eine doppelte Vorzeichnung wiedergibt. Der Mönch scheint auch bei Hohe nach
dem in Umrissen gegebenen Kinde zu greifen, zu dem die Haltung der Arme der Frau in keinem klaren
Verhältnis steht. Die Aufnahme von Rüben gibt nun aber ein wesentlich anderes Bild: bei ihm stehen der
Bischof und die kleinere weibliche Figur scheinbar in einer Art Taufstein.
,,Da sämtliche Schriftreste des Spruchbandes gänzlich erloschen sind, man also mit Bestimmtheit
auf irgendeinen Vorgang, etwa aus dem Leben des in engster Beziehung zu Trier stehenden h. Martin
von Tours, hier nicht schließen kann, so muß man sich mit der durch den im äußeren Bilde erläuterten
Wortlaut der Epistel nahegelegten Vermittlung begnügen, daß die hier dargestellte Mutter ihr eben ge-
tauftes Knäblein dem Mönche zur Aufnahme in ein Kloster übergeben habe, damit es dort, fern von den
Versuchungen und Gefahren der Welt, erzogen werde und in der Einsamkeit des Klosters sein Leben
beschließe."
Da das Bild deutlich durch das Spruchband mit dem als Treviris bezeichneten Bau in Verbindung
gesetzt ist, muß es jedoch irgendwie mit der Trierischen Geschichte oder Legende in Zusammenhang
stehen. Die richtige Deutung dieser Szene hat wieder P. Ildefons Herwegen gefunden. Der Vorgang findet
sich eingehend beschrieben in cap. I der anonymen Vita S. Paulini episcopi Trevirensis. Paulinus ist
danach von vornehmen Eltern in Aquitanien geboren. Seine Eltern luden den h. Maximin von Trier
ein, das Kind aus der Taufe zu heben. Dieser nimmt den kleinen Paulin als seinen geistlichen Sohn an
und wird später dessen Lehrer. Der Priester (oder Diakon) übergibt das Kind nach vollzogener Tauf-
handlung durch die Hände der Mutter oder Amme dem h. Maximin, der die Arme zur Aufnahme
- susceptio — des Knaben ausbreitet97.
Da der h. Paulinus, von den Arianern verfolgt, in der Verbannung starb, paßt auf ihn sehr gut der
Spruch: Quibus dignus non erat mundus (Hebr. II, v. 38). Es erklärt sich so auch die Inschrift: treveris.
Auch mit Brauweiler hatte diese Legende eine besondere Beziehung. Die ersten Mönche von Brauweiler
waren aus St. Maximin in Trier gekommen.
4. S ü d k a p p e. Diese Kappe wird fast ganz bedeckt von drei, mit je einem Baum besetzten, oben
schwarz eingerahmten Hügeln, der mittlere grünliche, den Trennungsstreifen verdeckend, wird seiner-
seits von den bräunlichen in den beiden Ecken überschnitten. Alle drei haben eine höhlenartige Öffnung
von unregelmäßiger Form. In der des mittleren Hügels wird ein bärtiger Heiliger bis zur Brusthöhe sicht-
bar mit kapuzenartiger, blaugrauer Kopfbedeckung und angetan mit einer gleichfalls blaugrauen Kutte.
Die Hände stehen so vor der Brust, daß die Daumen sich fast berühren, die innere Handfläche nach
außen gekehrt ist. Unter der Figur die alte Inschrift: s-pnl-ri-e.
Aus der Höhle im Westfeld schaut, bis zur Gürtelhöhe sichtbar, gleichfalls ein Heiliger mit kurz-
geschnittenem Bart, etwas nach links gewandt, heraus, die Hände ungleich erhoben, die Daumen ab-
gestreckt, die Innenfläche nach außen gedreht. Er trägt graues geistliches Gewand mit niedergeschlagener
Kapuze, darunter, an den engen Ärmeln sichtbar, ein blauschattiertes Gewand. Unter dem Loch bei
aus'm Weerth die jetzt verschwundenen Schriftreste si........
In der ovalen Höhlenöffnung des Hügels in der Ostecke sieht man sieben Halbfiguren männlicher
Heiliger, teils bartlos, teils mit kurzem Bart, in blauen Gewändern und rötlichen Mänteln, dicht anein-
ander gedrängt und schlafend. Darunter bei Hohe die jetzt verschwundenen Reste der ursprünglichen
Inschrift: . ep.......ient .. In den dieser Kappe zur Unterschrift dienenden Worten Hebr. 11, v. 38:
In montibus, in speluncis in cavernis terrae ist die Deutung dieser Darstellungen zu suchen. Der Heilige
in der mittleren Höhle ist durch die Unterschrift (so aus'm Weerth) als Sanctus Paulus E r h e -
m i t a , der oben erwähnte erste Eremit und Begründer des Mönchlebens, bezeichnet. Den anderen
Eremiten, unter dem aus'm Weerth in seinem Text98 sant liest— abweichend von der Inschrift auf seiner
Tafel — deutet Reichensperger99 als den schon oben dargestellten h. Antonius, den Freund und
97 Vgl. Ildefons Herwegen i. d. Ann. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein 92, S. 124. Der Vorgang ist beschrieben in der
Vita S. Paulini (Acta SS. Bolland. VI, ad diem XXXI, c. I u. II, p. 676).
98 a. a. O. S. 7, 2. Sp. 99 a. a. O. S. 97.
brauweiler: kapitelsaal.
über die Figuren selbst und sogar über den Kopf des Kindes weg und sieht deutlich wie eine spätere
Zutat aus. Der Sitzende ist auch bei Hohe als Mönch zu erkennen, als Frau die Gestalt vor dem Bischof,
von dessen Kopf Hohe eine doppelte Vorzeichnung wiedergibt. Der Mönch scheint auch bei Hohe nach
dem in Umrissen gegebenen Kinde zu greifen, zu dem die Haltung der Arme der Frau in keinem klaren
Verhältnis steht. Die Aufnahme von Rüben gibt nun aber ein wesentlich anderes Bild: bei ihm stehen der
Bischof und die kleinere weibliche Figur scheinbar in einer Art Taufstein.
,,Da sämtliche Schriftreste des Spruchbandes gänzlich erloschen sind, man also mit Bestimmtheit
auf irgendeinen Vorgang, etwa aus dem Leben des in engster Beziehung zu Trier stehenden h. Martin
von Tours, hier nicht schließen kann, so muß man sich mit der durch den im äußeren Bilde erläuterten
Wortlaut der Epistel nahegelegten Vermittlung begnügen, daß die hier dargestellte Mutter ihr eben ge-
tauftes Knäblein dem Mönche zur Aufnahme in ein Kloster übergeben habe, damit es dort, fern von den
Versuchungen und Gefahren der Welt, erzogen werde und in der Einsamkeit des Klosters sein Leben
beschließe."
Da das Bild deutlich durch das Spruchband mit dem als Treviris bezeichneten Bau in Verbindung
gesetzt ist, muß es jedoch irgendwie mit der Trierischen Geschichte oder Legende in Zusammenhang
stehen. Die richtige Deutung dieser Szene hat wieder P. Ildefons Herwegen gefunden. Der Vorgang findet
sich eingehend beschrieben in cap. I der anonymen Vita S. Paulini episcopi Trevirensis. Paulinus ist
danach von vornehmen Eltern in Aquitanien geboren. Seine Eltern luden den h. Maximin von Trier
ein, das Kind aus der Taufe zu heben. Dieser nimmt den kleinen Paulin als seinen geistlichen Sohn an
und wird später dessen Lehrer. Der Priester (oder Diakon) übergibt das Kind nach vollzogener Tauf-
handlung durch die Hände der Mutter oder Amme dem h. Maximin, der die Arme zur Aufnahme
- susceptio — des Knaben ausbreitet97.
Da der h. Paulinus, von den Arianern verfolgt, in der Verbannung starb, paßt auf ihn sehr gut der
Spruch: Quibus dignus non erat mundus (Hebr. II, v. 38). Es erklärt sich so auch die Inschrift: treveris.
Auch mit Brauweiler hatte diese Legende eine besondere Beziehung. Die ersten Mönche von Brauweiler
waren aus St. Maximin in Trier gekommen.
4. S ü d k a p p e. Diese Kappe wird fast ganz bedeckt von drei, mit je einem Baum besetzten, oben
schwarz eingerahmten Hügeln, der mittlere grünliche, den Trennungsstreifen verdeckend, wird seiner-
seits von den bräunlichen in den beiden Ecken überschnitten. Alle drei haben eine höhlenartige Öffnung
von unregelmäßiger Form. In der des mittleren Hügels wird ein bärtiger Heiliger bis zur Brusthöhe sicht-
bar mit kapuzenartiger, blaugrauer Kopfbedeckung und angetan mit einer gleichfalls blaugrauen Kutte.
Die Hände stehen so vor der Brust, daß die Daumen sich fast berühren, die innere Handfläche nach
außen gekehrt ist. Unter der Figur die alte Inschrift: s-pnl-ri-e.
Aus der Höhle im Westfeld schaut, bis zur Gürtelhöhe sichtbar, gleichfalls ein Heiliger mit kurz-
geschnittenem Bart, etwas nach links gewandt, heraus, die Hände ungleich erhoben, die Daumen ab-
gestreckt, die Innenfläche nach außen gedreht. Er trägt graues geistliches Gewand mit niedergeschlagener
Kapuze, darunter, an den engen Ärmeln sichtbar, ein blauschattiertes Gewand. Unter dem Loch bei
aus'm Weerth die jetzt verschwundenen Schriftreste si........
In der ovalen Höhlenöffnung des Hügels in der Ostecke sieht man sieben Halbfiguren männlicher
Heiliger, teils bartlos, teils mit kurzem Bart, in blauen Gewändern und rötlichen Mänteln, dicht anein-
ander gedrängt und schlafend. Darunter bei Hohe die jetzt verschwundenen Reste der ursprünglichen
Inschrift: . ep.......ient .. In den dieser Kappe zur Unterschrift dienenden Worten Hebr. 11, v. 38:
In montibus, in speluncis in cavernis terrae ist die Deutung dieser Darstellungen zu suchen. Der Heilige
in der mittleren Höhle ist durch die Unterschrift (so aus'm Weerth) als Sanctus Paulus E r h e -
m i t a , der oben erwähnte erste Eremit und Begründer des Mönchlebens, bezeichnet. Den anderen
Eremiten, unter dem aus'm Weerth in seinem Text98 sant liest— abweichend von der Inschrift auf seiner
Tafel — deutet Reichensperger99 als den schon oben dargestellten h. Antonius, den Freund und
97 Vgl. Ildefons Herwegen i. d. Ann. d. hist. Ver. f. d. Niederrhein 92, S. 124. Der Vorgang ist beschrieben in der
Vita S. Paulini (Acta SS. Bolland. VI, ad diem XXXI, c. I u. II, p. 676).
98 a. a. O. S. 7, 2. Sp. 99 a. a. O. S. 97.