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BRAUWEILER: KAPITELSAAL.

III. Westwand.

1. Südliche Fensterarkade. In der für zwei, durch drei Rundbogen verbundene Säulen
berechneten Arkade ist hier der dritte Rundbogen unter Fortfall der zweiten Säule zugemauert, und dieser
in der ganzen Mauertiefe zugebaute Teil der Wand, der daher vor die Arkade und ihre Zwickelmauer
vorspringt, ist für den malerischen Schmuck mitbenutzt. Den Zwickel der Arkade füllt auf blauem,
grünumränderten Grunde ein kreisrundes goldenes Medaillon mit dem Brustbild eines Engels.
Dieser trägt um das mit langen, in der Mitte gescheitelten Locken gerahmte Gesicht einen ornamentierten
goldenen Nimbus und ist bekleidet mit weißem, blauschattiertem Untergewand und grünlichem, über
die linke Schulter geschlagenem Mantel. Die rötlichen Flügel stehen hoch und schmiegen sich dem Rund
des Medaillons und des Nimbus an.

Der von der Arkade freigelassene Teil des Stirnbogens hat ebenfalls blauen Grund und ist von einem
breiten grünen Streifen den äußeren Bogen und den horizontalen Abschluß entlang eingefaßt. Im oberen
Zwickel steht ein einfaches Gebäude mit rotem Satteldach, unter dem in der sichtbaren Längswand
eine Reihe von drei rundbogigen Doppelfenstern läuft. Die Fassade nimmt ein großes in flachem Bogen
geöffnetes schwarzes Tor ein. Vor diesem steht auf dem grünen Grunde ein lehnenloser Hochsitz mit
goldenen Beschlägen an den Stirnen der Sitzplatte und ihrer Stützen, und auf ihm sitzt ein König in hellem
gelbgrauem mit breiter Goldborte verziertem Rock und goldenen Stiefeln. Er hält in der Rechten ein
jetzt leeres Spruchband und stützt das bärtige, mit infulartiger goldener Krone geschmückte Hauptsinnend
auf die Linke, den Ellbogen auf das hochgezogene linke Knie setzend. Ein bartloser Mann mit langen
Locken und goldenem Nimbus in blauem Gewand und gelblichem Mantel beugt vor ihm das Knie und
hält ihm mit beiden Händen ein Spruchband entgegen, auf dem aus'm Weerth105 am Ende die Buchstaben

............nip/Fr .... las, die jetzt nicht mehr sichtbar sind. Auf dem Innenrande des Stirnbogens

folgende Inschriftreste: + ... nia • d.....datp......e____m.......v......

Höchstwahrscheinlich ist D a n i e 1 — hier wie auch sonst bartlos — dargestellt, wie er (Dan. IV,
16—24) dem König Nebukadnezar seinen — an der Nordwand dargestellten - - Traum deutet
und zugleich ihm seinen siebenjährigen tiefen Fall weissagt, durch den er zur Anerkennung der Macht
des wahren Gottes gebracht werden soll.

2. Nördliche Fensterarkade. Über den drei Rundbogen ist in den blauen, grün um-
randeten Grund des Stirnbogens in gelb und grau ein merkwürdiges Architekturbild eingezeichnet, das
mit seinen roten Dächern, schwarzen Fenstern und Toren offenbar eine türm- und torbewehrte, mit Mauer-
kranz umgebene Stadt vorstellt, in deren Mitte ein Zentralbau mit Kuppel und Laterne steht. Neben
der letzteren halten oben vom Scheitel zwei Hände ein nach unten entrolltes Spruchband mit erloschener
Inschrift. Je ein Band zieht sich — wohl als Vorhang — aus der Türe der beiden mit seltsamen Zylindern
gedeckten äußeren Tor(?)batiten durch die zwei Rundbogenfenster im Obergeschoß ihrer Längswand.

Vermutlich stellt die Stadt „dasgroßeBabel" dar und reiht sich als drittes Bild an die Szenen-
folge vom Traum Nebukadnezars an: Dan. 4, v. 25 ff.: „Alles dies erfüllte sich an dem König Nebukad-
nezar (25). Als sich der König einmal nach Verlauf von zwölf Monaten auf dem königlichen Palaste zu
Babel erging (26), hob er an und sprach: Ja, das ist das große Babel, das ich mittelst meiner großen Macht
und zur Erhöhung meines Glanzes als königliche Residenz erbaut habe! (27). Noch war das Wort im
Munde des Königs, als eine Stimme vom Himmel her ertönte: Dir, o König Nabukadnezar, wird hiermit
verkündigt: Das Königtum ist dir genommen" (28) usw. (Fig. 283).

Der Bilderkreis.

Die Frage ist, ob für die Zusammenstellung der alttestamentlichen Persönlichkeiten mit den christ-
lichen Märtyrern und ihre Deutung und Beziehung auf die Verse des Hebräerbriefes schon ein Vorbild
vorlag, und ob der Maler von Brauweiler oder sein geistlicher Auftraggeber sich auf eine literarische Vor-
lage berufen konnte. Einzelne der Verse aus der Epistel von dem Sieg des Glaubens sind schon sehr früh

des Kirchengebäudes S. 233; hier ist dargestellt das Traumgesicht des Königs von der merkwürdigen Statue.
105 a. a. O. S. 2, 1. Sp. — Tat. i u. ii, Abt. 1.
 
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