Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Clemen, Paul
Die romanische Monumentalmalerei in den Rheinlanden — Düsseldorf, 1916

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.22845#0816
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
782

die rheinische monumentalmalerei.

Im vollen Gegensatz hierzu stehen die beiden Gestalten des thronenden Christus, der kleinen Gestalt in
dem Kapellchen im oberen Umgang im südlichen Querschiff (Fig. 516) und der mächtigen Gestalt des
zwischen den beiden Patronen der Kirche thronenden Salvators vor der Vierungskuppel (Fig. 545. - - Die
ganze Gruppe Abb. S. 519). Bei dieser letzteren tritt, wenn man das Gewandmotiv etwa mit der Gewan-
dung der großen Apostelgestalten in den Emporenzwickeln vergleicht, der Gegensatz sofort scharf hervor.
Bei jenen noch überall breite Flächen und wenige große Motive, hier ein Auflösen in eine Fülle von par-
allelen Falten. Dazu verschwindet hier auch der weiche, fließende Kontur zugunsten einer eckigeren, viel-
fach gebrochenen Umrißlinie. Die Herkunft dieses fremdartigen Motivs kann nicht zweifelhaft sein.
Wir haben in diesem großen Salvator die Nachahmung eines besonders schönen, auf byzantinischer Grund-
lage beruhenden Vorbildes vor uns. Man möchte etwa zum Vergleich das Blatt mit dem thronenden
Christus aus dem Skizzenbuch des Villard de Honnecourt danebenstellen, in dem auch ein byzantinisches
Vorbild frei übersetzt erscheint (Fig. 512). Es gab klassische Darstellungen des Pantokrator, die hier als
Vorbild nachwirken konnten, wie der schon genannte Christus in der Vorhalle von San Marco in Venedig
oder der Christus von der Pala d'oro dort, die weithin bekannt und bewundert waren, und die man sich
etwa als regelmäßig in den Vorbildersammlungen der Ateliers wiederkehrend denken möchte; diese Muster-
bücher konnten aber auch ersetzt werden durch Abdrücke von Werken der Kleinkunst, etwa den byzantini-
schen Elfenbeintafeln der Bodleiana in Oxford und des Louvre". Den Übergang zeigen dann die beiden
schon von dem Formengefühl der Frühgotik erfaßten gravierten Darstellungen auf zwei großen Gold-
schmiedearbeiten der Trierer Gegend, auf dem Kreuzreliquiar der Matthiaskirche zu Trier und dem sehr
viel stärker noch sich byzantinisierend gebärdenden Christus auf dem Mettlacher Reliquiar, beide um 1220
entstanden100.

Wie in Limburg geht auch ersichtlich in S t. Pantal eon zu Köln (vgl. oben S. 455) der große
thronende Christus, der von den vier Evangelistensymbolen umgeben und von vier Heiligenfiguren begleitet
ist, auf ein ursprünglich byzantinisches Vorbild zurück. Das scheint vor allem der reiche, höchst kunstvolle
Aufbau der Gewandung, die komplizierte Art der Faltengebung zu beweisen, vor allem auch die Breite
der ganzen Erscheinung (vgl. die Photographie S. 463) wie die Auflösung der Fläche in eine Reihe von
kleinen parallelen Fältelungen101. Den vollen Gegensatz bildet hierzu etwa der Christus von Knechtsteden
mit seiner ausgesprochenen flächigen Behandlung. Aber auch die typischen spätromanischen Salvator-
gestalten zeigen noch auf der Schulter, um den Leib, vor allem um die beiden Knien große leere Flächen,
durch die der Körper deutlicher durchmodelliert ist. Im Gegensatz zu dem Christus im Hochchor von
St. Gereon tritt hier eine stärkere Gehaltenheit ein. Dort ist die machtvolle, weit ausgreifende Geste des
rechten Armes durch den Salvator von dem Restaurator in einen kleinlichen akademischen Stil umge-
wandelt worden. Gerade aber in dieser Bewegung lag etwas ausgesprochen Nordisch-Romanisches gegen-
über der feierlichen Starrheit der südlichen Vorbilder.

Ausbreitung des weichen fließenden Stiles.

Wir fragen, wie sich dieser Formwille des fließenden Stiles nun auch in den verwandten
Aus drucksformen der romanischen Malerei am N i e d e r r h e i n offenbart, bei den
Buchmalereien, als denjenigen Schöpfungen, in denen die künstlerische Handschrift am reinsten und
ungetrübtesten zu uns spricht, bei den Glasmalereien und Metallarbeiten, Gravuren und Emails als

99 Alle genannten Denkmäler abgeb. bei Venturi, Storia
dell' arte Italiana II, p. 435, 595, 596, 649.

100 Abb. bei Aus'm Weerth, Kunstdenkmäler d. christl.
Mittelalters i. d. Rheinlanden III, S. 99, 102, Taf. 52, 63. —
v. Cohausen bei v. Quast u. Otte, Zs. f. christliche Archäo-
logie u. Kunst I, S. 267, Taf. 18. — v. Falke u. Frauberger,
Deutsche Schmelzarbeiten des Mittelalters Taf. 90, 92. —
Clemen, Die rhein. u. westfäl. Kunst auf d. Kunsthistor.
Ausstellung Düsseldorf 1902 S. 31, Taf. m. Abb. 29.

101 Die Inschrift (vgl. oben S. 463) bringt zwei griechische
Worte: Usia und Sophia. Man möchte daraus ein gewisses

Kokettieren mit dem Griechischen ableiten. Die Worte selbst
sind ja in der Latinität der Zeit längst rezipiert und kommen
häufig vor. Die Sophia spielt zumal in der karolingischen
poetischen Literatur eine Hauptrolle. Das Wort Usia kommt
auch sonst gerade in Inschriften an Kunstwerken vor, so
auf dem Mantel Kaiser Heinrichs II. in Bamberg, an dem
Ambo Heinrichs II. in Aachen, an dem Baseler Goldaltar des
Clunymuseums, der auch ein Geschenk Heinrichs II. ist.
Die Folgerungen, die Strzygowski, Dom zu Aachen, S. 54,
hieraus für Spuren der christlich-orientalischen Unterlage
in Aachen ziehen will, sind mir unverständlich.
 
Annotationen