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Clemen, Paul
Die gotischen Monumentalmalereien der Rheinlande: mit Beiträgen von Burkhard Frhrn. v. Lepel und Margot Remy (Text) — Düsseldorf, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.28108#0201
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Man muß sich darüber klar sein, was m dem
Augenblick der Weihe des Kölner Domchores not-
wendig an Einzelstücken der Architektur wie der
Ausstattung vollendet sem mußte3 4. Zunächst muß-
ten die Gewölbe und Außenmauern geschlossen
sem; es mußte damals schon die Wand nach dem
Westen hin vollständig aufgeführt sein, die diesem
Ted die Selbständigkeit verbürgte; ebenso mußten
alle Fenster lhre Verglasung haben. Ob notwendig
alle schon die defimtive farbige Füllung mit dem
figürhchen Schmuck erhalten hatten, ist zweifel-
haft. Es war natürhch möglich, einzelne Fenster,
die als Stiftungen vorgesehen waren, noch nach-
träglich einzufügen und gegen die provisorische
Verglasung auszuwechseln1. Im inneren Chor darf
man annehmen, daß die großen Steinfiguren Christi
und seiner Mutter mit den zwölf Aposteln auch
schon ausgeführt waren. Die Konsolen wie die
großen Baldachine sind tief m die Pfeiler einge-
bunden, die Bossen mit lhnen versetzt. Man kann
sich mcht wohl vorstellen, daß ein so schwerer
klotzartiger Bossen unbearbeitet gestanden habe, während der Chor schon m Benutzung war; die nachträghche Bearbeitung
würde mit dem dauernden Lärm und dem Steinstaub eine schwer zu ertragende Belästigung gebracht haben. Man kann
aber auch kaum annehmen, daß die leeren Konsolen und Baldachine lange ohne die großen und kleinen Figuren dage-
standen haben. Sie sind ersichtlich zusammenkomponiert, rhythmisch zusammen empfunden und einheithch in der Her-
stellung. Und weiter setzte der Chordienst voraus, daß der Hochaltar hergestellt war und daß ein Chorgestühl für den Dienst
des großen Domkapitels im Chor aufgestellt war. Die heutige Mensa des Hochaltars stammt erst aus der Zeit des Wilhelm
von Gennep um die Mitte des Jahrhunderts. Man hat sich also 30 Jahre Zeit gelassen, bis hier ein Defimtivum eintrat; man
könnte nach diesem Vorbild immerhin es für möglich halten, daß auch im Chor das Chorgestühl erst geraume Zeit später in
defimtiver Form seinen Platz erhielt. Aber der Vergleich mit der sicher datierten Hochaltarmensa zeigt bei dem Chorgestühl
so ausgesprochen eine um eine Generation frühere Stilstufe m der ganzen Komposition, m Architektur und Ornamentik wie
im Figurenkanon und der Gewandung, daß man zu der Vorstellung gedrängt wird, die Anfertigung habe sich unmittelbar an
die Weihe des Chores angeschlossen5. Das Chorgestühl und die Malereien auf den Chorschranken gehören mnerhch zusammen,
nahmen aufeinander in den Maßstäben, in der Aufteilung Rücksicht, und es liegt nahe, sie auch zeithch in Verbindung zu bringen.

Die Wandmalereien auf den Chorschranken stehen aber mcht lsohert m dem Schmuck des Chores. Vier farbige Zonen
ziehen sich horizontal durch den Chor durch. Die erste, unterste, die der Chorschrankenmalereien, fand ein Gegenstück darüber
in der Bemalung der Chorfiguren mit den Konsolen und Baldachinen. Die 14 Standbilder an den Chorpfeilern, die schon 1842
August Reichensperger genau beschrieben und m farbigen Tafeln publiziert hat6, zeigen nach der vorhandenen alten Fassung

Fig. 199, Köln, Dom. Blick in den Hochchor mit den Malereien auf den Schranken.

3 Auf den Zusammenhang der Chorapostel mit der Architektur des Chores und ebenso das künstlerische Zusammenkomponieren von Chorschranken und Chorgestühl habe
ich schon m dem Wallraf-Richartz-Jahrbuch I, 1924, S. 35 hmgewiesen.

4 Uber die Glasgemälde im Domchor und ihre Datierung vgl. eingehend H. Oidtmann, Die rheinischen Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jh., Diisseldorf 1912, I, S. 149,
171, 188. — Ders., Die Glasgemälde des Obergadens im Hochchor des Kölner Domes: Zs. f. christliche Kunst XXII, 1909, S. 99. — Al. Schnütgen, Die restaurierten
Fenster in der Dreikönigenkapelle des Kölner Domes: Zs. f. christliche Kunst XV, 1902, S. 257. ■— B. Hertel, Die Glasgemälde im Kölner Dom, mit Einleitung von P.
Clemen, Berlin 1926, I. — H. Schmitz, Die Glasgemälde des Königlichen Kunstgewerbemuseums in Berhn, I, S. 21.

5 Uber das Chorgestühl vgl. H. Reiners, Das Chorgeslühl des Domes zu Köln: Zs. f. chrislliche Kunst XXI, 1908, Sp. 269, 309. — Ders., Die rheinischen Chorgestühle der
Frühgotik, Straßburg 1909, S. 55. — Reiners weist schon auf den Zusammenhang des Gestühls mit den Malereien hin. Vgl. noch A. Reith, Das Chorgestühl des Doms zu
Köln, Dresden o. J. — Rud. Busch, Deutsches Chorgeslühl in 6 Jahrhunderten, Leipzig 1928, Taf. 7, S. 29. — Eine Sonderuntersuchung von M. von Tichowitz (Diss. Mar-
burg) in Vorbereitung. — Fr. Neugaß, Mittelalterl. Chorgestühl m Deutschland, Straßburg 1927, S. 10, 127.

6 A. Reichensperger, Die vierzehn Standbilder im Domchor zu Köln, Köln 1842, mit farbigen Lithographien von Elkan (Text auch i. d. Vermischten Schriften über christ-
liche Kunst, Leipzig 1856, S. 26). Die Figuren sind von Fried Lübbecke, Die gotische Kölner Plastik, S. 45, sämtlich nach neuen im Auftrage der Rhein. Provinzialverwal-
tung hergestellten Aufnahmen publiziert und zum ersten Male in die Entwicklung der Plastik d. 14. Jh. hineingestellt; er datiert sie um 1330 (äußerste Jahre 1322 und
1340). E. Lüthgen, Die niederrheinische Plastik, Straßburg 1917, S. 40, setzt sie in die 30er Jahre des 14. Jh. Neue prachtvolle Aufnahmen von Hertel, Die Bildwerke des
Kölner Domes, I. 1923, Taf. 4—18, die krönenden Engel Taf. 19—24. Vgl. zuletzt H. Beenken, Bildhauer d. 14. Jh. am Rhein und in Schwaben, Leipzig 1927, S. 74. —
Die Domfiguren waren auch dem Wilhelm von Gennep (1349—1362) zugeschrieben worden, aber erst in der späteren Uberlieferung der Koelhoffschen Chromk, die Gelemus,
De admiranda magnitudine Coloniae, Köln 1645, p. 253, fixiert: maiorem aram et caeteras in choro, Christi, Deiparae et apostolorum statuas columms adfixas fieri curavit.

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