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Clément, Charles; Clauß, Carl [Bearb.]
Michelangelo, Leonardo, Raffael: mit 40 Holzschnitten und zwei lithographirten Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1870

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https://doi.org/10.11588/diglit.71514#0063
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Michelangelo.

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ging, wurde er durch die Dienerschaft unter Faustschlägen Hinausgewor-
sen*). Nachdem des Papstes Wuth sich so über den Bischof entladen hatte,
ließ er den Michelangelo näher treten, verzieh ihm und segnete ihn und bemerkte,
daß er Bologna nicht eher verlassen solle, als bis er seine Befehle erhalten
habe. Kurze Zeit darauf ließ er ihn rufen und trug ihm sein Standbild
auf, welches er an der Fatzade von San Petronio anbringen wollte."
Michelangelo beendete diese Statue, welche von dreifacher Naturgröße
war, in sechszehn Monaten ^). Vor seiner Abreise von Bologna kam der
Papst, um sich das Modell zu besehen. Der Bildhauer, der in Verlegen-
heit darüber war, was er der Figur in die linke Hand geben solle, fragte
ihn, ob es ein Buch sein könne. „Was! ein Buck? antwortete Julius,
ein Schwert! Ich bin kein Gelehrter." Und über die kühne Bewegung
des rechten Armes scherzend, fragte er lachend: „Giebt Deine Statue deu
Fluch oder den Segen?" — „Heiliger Vater, sie droht dem Volke für den
Fall, daß es nicht weise sein würde." Diese Statue, von der Commune
Bologna mit 1000 Ducaten dem Michelangelo bezahlt, wurde am 21. Fe-
bruar 1508 über den Haupteingang von San Petronio aufgestellt; sie
verblieb daselbst Lis zum Jahre 1511, wo sie, uach dem Eiuzug der Ben-
tivogli, von dem wüthenden Volke zerstört wurde. Herzog Alfonso von
Ferrara kaufte die Stücke und ließ ein Geschütz daraus gießen, das er
Julia nannte. Der Verlust dieser Statue des schrecklichen Julius 11. ist
um so mehr zu beklagen, als dieselbe noch weniger Spuren als die übrigen
ebenfalls verloren gegangenen Arbeiten Michelangelos hinterlassen hat.
Nur der Kopf war erhalten worden, er wog 600 Pfund, mW der Herzog
Alfonso, welcher ihn in seinem Cabinet aufbewahrte, fagte, daß er ihn nicht

*) Andere erzählen, daß dies der Papst selbst besorgt habe.

**) Die Stame Julius II. wurde wahrscheinlich Ende des Jahres 1507 ein erstes
Mal gegossen. Michelangelo glaubte sie verfehlt und schrieb unter diesem Eindruck an
seinen Bruder: Buouarroto, wir haben Unglück mit meiner Figur gehabt und sie ist in
einer Weise gekommen, daß ich fast glaube, noch einmal von vorn anfangen zu müssen.
Ich schreibe Dir keine Einzelheiten, denn ich habe an andere Dinge zu denken: es genüge
Dir zu wissen, daß die Sache schlecht gegangen ist. Ich werde binnen Kurzem wissen,
was ich zu thun habe uud werde Dir darüber Mittheilung machen. Benachrichtige Eo-
doni, der immer sehr wohlwollend war, und, wenn es sich ergiebt, daß ich sie noch ein-
mal gießen muß oder daß ich nach Florenz zurückkehren kann, werde ich mich kurz ent-
schließen und Dich davon in Kenntniß setzen. Ich werde mein Möglichstes thun um das
was ich versprochen auf's Beste auszuführen." Dieses Billet stammt aus dem Archiv
der Casa Buonarroti.
 
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