Raffael.
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Laune: „Ich freue mich über die Gunst, welche mir Michelangelo dadurch
erweist, daß er mich würdigt mit ihm selbst und nicht mit dem Sebastiano
zu wetteifern." Immerhin muß indeß die Thatsache Wunder nehmen und
spricht zu Gunsten beider, daß diese zwei großen Männer, obgleich in ihrer
Kunst Rivalen, sich doch nie in der Gunst des Publikums oder der Für-
steu, von welchen sie beschäftigt wurden, zu schädigen suchten, und daß, trotz
einiger heftigen Worte, die bei Anderen gewiß zu scandalösen Conflicten
geführt hätten, ihr Verhältniß immer ein völlig würdiges und ehrenhaftes
geblieben ist. Niemals in der That hat sich der eine oder andere zu einer
jener Jntriguen und häßlichen Eifersüchteleien Hinreißen lassen, die bei der
Verschiedenheit und, wenn man will, dem Antagonismus ihrer Charaktere
so nahe lagen.
iMan hat übrigens die Rivalität zwischen Michelangelo und Raffael
sehr übertrieben, wie es unter Andern aus der vou Cinelli bezüglich der
Freske in der Kirche della Pace erzählten Anecdote hervorgeht: „Raffael
von Urbino hatte für Agostino Chigi in Santa Maria della Pace einige
Sibyllen und Propheten gemalt, für welche er auf Abschlag eine Summe
von 500 Thalern erhalten hatte. Eines Tages forderte er den rückstän-
digen Rest der Summe, auf welche er seine Arbeit schätzte. Der Kassirer,
der sich über dieses Verlangen wunderte und glaubte, daß es mit dem bereits
ausgezahlten Betrage abgethan sei, antwortete nicht. „Laßt die Arbeit
durch einen Sachverständigen abschätzen, sagte Raffael, und ihr werdet
fehen, wie mäßig meine Forderung ist." Giulio Borghesi (so war der
Name des Kaffirers) dachte bei diesem Vorschläge sogleich an Michelangelo,
und bat diesen sich in die Kirche zu begeben und die Figuren Raffaels
zu taxiren. Vielleicht nahm er an, daß der Eigendünkel, die Rivalität, die
Eifersucht den Florentiner bestimmen würde, den Preis dieser Malereien
gering anzuschlagen. Michelangelo ging also, begleitet von dem Kassirer,
nach Santa Maria della Pace, und wie er nachdenkend, ohne ein Wort
zu sagen, die Fresken betrachtete, fragte ihn Borghesi um seine Meinung.
„Dieser Kopf, antwortete Michelangelo, indem er mit dem Finger auf eine
der Sibyllen deutete, dieser Kopf ist huudert Thaler Werth!" — Und die
andern? fragte der Kassirer — „Die andern ebensoviel." Diese Scene
hatte Zeugen gehabt, welche sie dem Chigi hinterbrachten. Er ließ sich
Alles genau erzählen, und indem er befahl den 500 Thalern für fünf Köpfe
noch je 100 Thaler für jeden andern Kopf hinzuzufügen, sagte er zu sei-
nem Kassirer: „Geh und bezahle dies Raffael für seine Köpfe und betrage
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Laune: „Ich freue mich über die Gunst, welche mir Michelangelo dadurch
erweist, daß er mich würdigt mit ihm selbst und nicht mit dem Sebastiano
zu wetteifern." Immerhin muß indeß die Thatsache Wunder nehmen und
spricht zu Gunsten beider, daß diese zwei großen Männer, obgleich in ihrer
Kunst Rivalen, sich doch nie in der Gunst des Publikums oder der Für-
steu, von welchen sie beschäftigt wurden, zu schädigen suchten, und daß, trotz
einiger heftigen Worte, die bei Anderen gewiß zu scandalösen Conflicten
geführt hätten, ihr Verhältniß immer ein völlig würdiges und ehrenhaftes
geblieben ist. Niemals in der That hat sich der eine oder andere zu einer
jener Jntriguen und häßlichen Eifersüchteleien Hinreißen lassen, die bei der
Verschiedenheit und, wenn man will, dem Antagonismus ihrer Charaktere
so nahe lagen.
iMan hat übrigens die Rivalität zwischen Michelangelo und Raffael
sehr übertrieben, wie es unter Andern aus der vou Cinelli bezüglich der
Freske in der Kirche della Pace erzählten Anecdote hervorgeht: „Raffael
von Urbino hatte für Agostino Chigi in Santa Maria della Pace einige
Sibyllen und Propheten gemalt, für welche er auf Abschlag eine Summe
von 500 Thalern erhalten hatte. Eines Tages forderte er den rückstän-
digen Rest der Summe, auf welche er seine Arbeit schätzte. Der Kassirer,
der sich über dieses Verlangen wunderte und glaubte, daß es mit dem bereits
ausgezahlten Betrage abgethan sei, antwortete nicht. „Laßt die Arbeit
durch einen Sachverständigen abschätzen, sagte Raffael, und ihr werdet
fehen, wie mäßig meine Forderung ist." Giulio Borghesi (so war der
Name des Kaffirers) dachte bei diesem Vorschläge sogleich an Michelangelo,
und bat diesen sich in die Kirche zu begeben und die Figuren Raffaels
zu taxiren. Vielleicht nahm er an, daß der Eigendünkel, die Rivalität, die
Eifersucht den Florentiner bestimmen würde, den Preis dieser Malereien
gering anzuschlagen. Michelangelo ging also, begleitet von dem Kassirer,
nach Santa Maria della Pace, und wie er nachdenkend, ohne ein Wort
zu sagen, die Fresken betrachtete, fragte ihn Borghesi um seine Meinung.
„Dieser Kopf, antwortete Michelangelo, indem er mit dem Finger auf eine
der Sibyllen deutete, dieser Kopf ist huudert Thaler Werth!" — Und die
andern? fragte der Kassirer — „Die andern ebensoviel." Diese Scene
hatte Zeugen gehabt, welche sie dem Chigi hinterbrachten. Er ließ sich
Alles genau erzählen, und indem er befahl den 500 Thalern für fünf Köpfe
noch je 100 Thaler für jeden andern Kopf hinzuzufügen, sagte er zu sei-
nem Kassirer: „Geh und bezahle dies Raffael für seine Köpfe und betrage