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Cohn, William
Ostasiatische Porträtmalerei — Bibliothek der Kunstgeschichte, Band 43: Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1922

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1.
Im fernen Osten wurden seit undenklichen Zeiten echte
Porträts (chinesisch Chuan-shen, Jen-wu, Hsieh-mao,
japanisch Nise-ye)1 geschaffen. Ja, die Bildnismalerei
scheint in China, wie viele alte Nachrichten bekräf-
tigen, gerade in der Frühzeit im Mittelpunkt aller Kunst-
tätigkeit gestanden zu haben. Von manchem Maler der
Han-Periode (ca. 200 v. bis 200 n. Chr.) wird berichtet,
daß er als Porträtist berühmt war, und es verbreitete
sich damals die Sitte, hohe, verdienstvolle Beamte
auf kaiserlichen Befehl malen zu lassen und die Bild-
nisse in der kaiserlichen Galerie aufzuhängen. Alles
dies deutet auf eine schon lange dauernde Blüte der
Porträtkunst hin, die bis heute niemals aufgehört hat,
sich in China und Japan regster Anteilnahme zu er-
freuen. Was sich aber an Originalen aus ihrer weit
über zwei Jahrtausende alten Geschichte erhalten hat,
erscheint, wenn man von Beispielen der letzten Jahr-
hunderte absieht, recht spärlich und lückenhaft. Das
meiste ist zugrunde gegangen. Aus China würde man
außer den Ahnenbildnissen der Ming- und Manchu-Zeit
(14. bis 19. Jahrhundert) nahezu nichts kennen, hätten
nicht Japans Tempel einige Porträts berühmter chine-
sischer Bonzen pietätvoll aufbewahrt. Auch ältere japa-
nische Bildnisse überlebten die Jahrhunderte nur, wenn
sie in der Obhut der Klöster standen. Kaum sind jedoch
alle diese heute bekannten Werke Porträts im west-
lichen Sinne zu nennen. Mit der Erklärung, Porträts
bedeuteten allein Darstellungen nach dem Leben, käme
man hier nicht aus. Nur selten steht fest, daß sie un-
mittelbar oder mittelbar nach dem Modell geschaffen
wurden. Doch man kann es in vielen Fällen annehmen.
China und Japan erfreuten sich einer niemals schroff

1 Alle diese Bezeichnungen haben eigene Bedeutungen, auf deren engeren Sinn
einzugehen zu weit führen würde.

B.D.K. 43

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