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Cohn-Wiener, Ernst
Alt-Nürnberg und das malerische Frankenland: 145 Bilder nach Naturaufnahmen — Berlin: Verlag für Kunstwissenschaft, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.56727#0014
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Land hat sie mit ihren Jagdschlössern und Pavillons übersäet. Es ist unvergleichlich, Ivie sich
Schloß Werneck, nut breiter Front zwischen graziöse Pavillons gespannt, am Wasser erhebt, das
seine Mauern widerspiegelt.
Pietätvoller hat man in Bamberg an der einfachen Tradition der Vergangenheit festgehalten.
Hat man den starken Turm des Rathauses durchschritten, dem selbst die zierlichen Ornamente,
die ihn umkleiden, nicht die Festigkeit zu rauben vermögen, und ist durch die krummen Gassen
langsam den Domhügel emporgeschritten, so steht vor uns neben der schlichten Renaissanceresidenz
des Bischofs die mächtige Domkirche, die Stiftung Heinrichs II., des heiligen Kaisers, wie sie
das XIII. Jahrhundert uns zurückließ. Unangetastet von dem Prunk späterer Zeiten, das
wichtigste Monument auf dem Platz, kündigt sie noch heute den Ernst eines Gottvertrauens, das
keine spätere Zeit mehr in gleicher Festigkeit in seinen Bauten ausgedrückt hat. Hohe Türme
befestigen den Bau mehr, als daß sie ihn emporheben. Ein abgestuftes Portal, dessen Gewände
vom jüngsten Gericht, von den Heilsverheißungen der Apostel und Propheten predigen, zieht uns
mit zwingender Gewalt ins Innere des Domes. Auch hier dieselbe feierliche Stille, in den ernsten
Pfeilern, den lastenden Gewölben, den ruhigen Wänden, und unser Schritt, der auf den Stein-
fliesen hallt, erscheint uns überlaut. Schweigende Statuen stehen an den Wänden, Madonnen
und Engel, Heilige und Propheten — die schönste von allen ein König, dessen Name noch nicht
enträtselt ist. Sein Pferd ist leblos, wie ein Teil des Pfeilers, vor dem es steht. Der Mann aber, von
den weichen Falten seines Mantels umwallt, stemmt den Fuß in den Steigbügel, strafft mit der
rechten Hand den Zügel des Pferdes, zieht den Mantel fest an sich, und während sein Körper all-
mählich sich aus der Wand zu lösen scheint, blickt sein gekröntes Haupt aus düsteren Augen fast drohend
ans uns hernieder. Eine Gestalt von gewaltiger Energie des Ausdrucks. Und doch sind wir
gewohnt, das Mittelalter und nun gar die Zeit der Sachsen- nnd Hohenstaufenkaiser in künst-
lerischer Beziehung fast für ein Barbarenzeitalter zu halten. Die Bildwerke des Bamberger
Doms zeigen, daß der Deutsche in seiner Kunst um nichts geringer ist, als irgend ein anderes
Volk. Wir aber sind noch heute gewohnt, nur das schön zu finden, was italienischer Art ist.
Die folgenden Blätter, die aus einem herrlichen Teil deutschen Landes eine Auswahl vou
dem bringen, was dort von Köstlichem ans uns gekommen ist, zeigen, wie deutsche Kunst in dem
Boden wurzelt, auf dem sie erwuchs, und in dem Charakter der Menschen, die sie geschaffen.
Volk und Land sind eine einzige Kraft und schaffen die Kunst als edelste Äußerung ihres gemein-
samen Lebens. Diese innere Ehrlichkeit ist es, welche die deutsche Kunst über die Jahrhunderte
hinweg zu einem tiefinnerlichen Erlebnis der Gegenwart machte.

Druekfehlerbeeichtiguug: Auf Seite 19, 26 und 27 ist zu berichtigen Petee Bischer.
 
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