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Conze, Alexander
Melische Thongefässe — Leipzig, 1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.751#0006
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altgriechische11) und etruskisohel2) Werke tibergegangen offen da liegt, so darf man wohl darauf hinweisen,
dass sich auch die Musterung der Flügel auf A ganz übereinstimmend in assyrischen Werken findet Kl).
Das sehr auffallende Hintcreinanderordnen der Pferde mit ganz gleich verlaufenden sieb theihveise voll-
kommen deckenden Umrissen erscheint wiederum völlig ebenso in der Zusammenstellung menschlicher
wie Thierfiguren auf fast den meisten der Ninivitisehen Reliefs 14) und dann endlich rauss ich im
Zusammenhange mit allem bisher Berührten die symmetrische Anordnung der je zwei Pferdegestalten
immer mit einer den Mittelpunkt ausmachenden Zierform zwischen sich, wie sie auf beiden Seiten von
j? und C ausgeführt ist, wegen der durch die ganze assyrische verzierende Bildkunst im Grossen und
Kleinen durchgehend herrschenden vollkommen gleichen Weise als aus demselben Kunststile mit dieser
letztem hervorgegangen in Anspruch nehmen, wie ich das auf Tafel V durch eine Zusammenstellung mit
einzelnen aus der Menge aufgegriffenen Proben assyrischen Bildwerkes anschaulich zu machen gesucht habe.
Durch eine dort ebenfalls nur beispielsweise gegebene Auswahl ganz gleich angelegter Zierformen von andern
griechischen Gefässen habe ich zugleich darauf aufmerksam machen wollen, dass dasselbe seinem Ursprünge
nach also orientalische Schema auch sonst als weithin in der Gewohnheit der griechischen Biklnerei verbreitet
zu erkennen ist. Ich bin geneigt diesen Zusammenhang der Formen z. B. auch bis in die Komposition
des Reliefs am mykenischen Thore zu verfolgen, um so mehr, da das schon von Petit-Badel und nach ihm
von Raoul-Rochettc richtig herbeigezogene Vasenbild ,5) diesen Uebergang nur zu auffallend gut vermittelt.
Wenn wir so den gesammten Kunstgeschmack, unter dessen Einflüsse unsere melischen Gcfässe
entstanden sind, und dann die ornamentalen Formen derselben bis ins Einzelne als orientalische Ueber-
lieferung ansehen, so stimmt es dazu und ist eben nur durch solche Annahme erklärlich, dass sich in dem
ganzen Zuge der Dekoration und der Gestaltung des Ornamentes bis ins Kleine eine Durchbildung, ja
eine gewisse Schönheit kund giebt, welche nothwendig nicht anders als das hier allerdings nur in hand-
werksmässiger Nachahmung vorliegende fertige Krgelmiss einer lange Zeit hindurch und mit einer Rich-
tung auf das Reiche und Grossartige hin fortgesetzten Kunstübung sein kann, grade wie sie vom Oriente
nicht aber von Griechenland in so früher Zeit ausging. Neben dieser Vollendung alles Ornamentalen ist
sehr beachtenswerth und allerdings auch auffallend genug der Gegensatz der imssersten Roheit in einigen
Tbeilen der Zeichnung der menschlichen Figuren, denen sich als ähnlich nur rein kindische Versuche an
die Seite stellen lassen und die desshalb als wirklich neue selbstständige Anfangsversuche des Malers über
das Ueberlicferte hinaus angesehen werden können. Wenn uns in der Kunstgeschichte noch einmal und
da noch starker hervortretend eine gleiche Erscheinung begegnet, nämlich in den Initialverzierungen
der sogenannten angelsächsischen Handschriften"3), indem dieselben mit einer absonderlich fein durchge-
bildeten Ornamentik äusserste Roheit in der Zeichnung menschlicher Figuren vereinen, so will ich die
Eigenthümlichkcit unserer Vasen durch solche vergleichende Hinweisung auf übrigens uns hier ganz fern
liegende Kunsterzeugnisse nur noch bestimmter bezeichnen und hervorheben.

Auf die Nachweisimg orientalischer Elemente in der Verzierungsweise unserer Vasen hin kann
man nun die Frage für berechtigt halten, ob dieselben nicht wirklich orientalische einst durch den Handel
nach ihrem jetzigen Fundorte Mclos eingeführte Arbeiten sind. Ich nehme das nicht an, namentlich
weil aus den Gestalten der Artemis und wenn wir ihn mit Recht so nennen, des Apollon, vielleicht auch
des Achilleus und Memnon mit ihren Müttern hervorgeht, dass die dargestellten Gegenstände griechi-
schen Vorstellungskreisen entnommen sind; auch die wenig bekleideten reitenden Knaben auf B ent-
sprechen mehr der griechischen Lebenssitte und finden sich in andern aus dieser hervorgegangenen
Werken der bildenden Kunst auch sonst ganz ähnlich17). Ich glaube sogar diese vollkommen gleich
bis jetzt nur auf Melos und, wenn Rosss schwankende Angabe über die Herkunft von 1) zu berücksich-
tigen ist, vielleicht auf dem benachbarten Thera gefundenen Gefässe als auf Melos selbst verfertigt
annehmen zu dürfen, da die reichen Thonlager der Insel18) zur Töpferei besonders auffordern mussten.

Sind die ganzen bisher entwickelten Annahmen richtig, sind die vorliegenden Vasen auf Melos
selbst verfertigt und zwar in einem vielfach an assyrische Kunstweise erinnernden Geschmack, bei dessen
angelernter Nachahmung jedoch der Maler, wo er für Darstellung menschlicher Gestalten der griechi-
schen Mythe kein Vorbild fand, auch zu sclbstständigen Anfangsversuehen getrieben wurde, so kann
man zur Erklärung solcher Thatsachen allerdings an eine Nachahmung gewiss vielfach durch den Handel
verbreiteter assyrischer Arbeiten denken, man wird aber auch leicht auf eine andere Hypothese geführt,
dass nämlich die vor der Besitzergreifung durch Dorier einst auch auf Melos ansässigen Phönizier10), welche
in ihren bildnerischen Arbeiten, so wenig uns erhaltene Werke leider auch über diesen Punkt unterrichten,
doch wahrscheinlich von assyrischer Knnstweisc abhängig waren, durch Ausbeutung der Thonlager der
Insel diesen Geschmack in der Verzierung der Töpferwaaren eingeführt haben und derselbe sich nach-
mals bei den diese Industrie fortsetzenden Griechen erhalten habe. Diese Ansicht würde zunächst der
schon früher aulgestellten-") an die Seite treten, nach welcher die Wirkerei „tberaeischer" Gewänder
auf der ebenfalls einst phönizisch später dorisch kolonisirten Nachbarinsel Thera gleicher Weise von
Phöniziern eingeführt, von Griechen fortgesetzt worden wäre \md weiter würde dieselbe unserer Kennt-
niss zahlreicher anderer Spuren älterer phönizischer Kultur, welche unleugbar vielerorts an den früher
von diesem Volke bewohnten Orten auch unter der nachfolgenden griechischen Bevölkerung erhalten
blieben, sich anschliessen.

So viel glaubte ich meiner Herausgabe an nothwendigen Angaben über die Gefässe selbst, dann,
da eine ausreichende Erklärung der Bildwerke nicht möglieh ist,»an kurzer Hinweisung auf deu Kunst-
charakter derselben und an Vermutbung über ihre Stellung in der Geschichte der bildenden Kunst in
Griechenland hinzufügen zu müssen.

Göttingen im April 1862.
 
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