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Conze, Alexander
Die antike Gewandung — Wien, 1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.9506#0014
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— 74 —

lung des Kopfes häufiger, ja bei und nach der Vermählung
regelmässig beim Erscheinen in der Oeffentlichkeit erforder-
lich; daher denn auch bei den Frauen offenbar zu grösserer
Bequemlichkeit bei dem häufigeren Gebrauche eigene Schleier-
tücher aufkamen. Der männlichen Tracht, welche die Kopf-
verhüllung nur in aussergewöhnlichen Fällen kennt, sind diese
fremd. Fig. 33 *) zeigt drei, einem Münchner Vasenbilde ent-
nommene Frauengestalten. Die mittlere hat ihr Obergevvand
zur Kopfverhüllung benutzt. Die anderen beiden tragen eigene
Schleiertücher und sonst nur den Chiton, welcher verschie-
den bei beiden (links mit kürzerem Ueberfall und darunter
sichtbarem Gürtungsbausche, rechts mit sehr langem Ueber-
fall ohne sichtbare Gürtung) angelegt ist. Es erinnere das
abermals an die unendliche Reihe der Variationen, deren das

Fig. 36. Aus einem Vasenbilde.

antike Gewand nur durch verschiedene Art des Anlegens
fähig ist. Keine Besprechung kann sie erschöpfen.

Dass das Obergewand auch der Frau (vergl. Fig. 10)
auch nachlässig von den Schultern herabgleiten, namentlich im
Sitzen nur den Schooss umgeben kann, dafür mag ein Beispiel
(Fig. 34)**) genügen.

Nicht im Leben, wie bei den Männern, wohl aber bei
Idealgestalten konnte auch in der weiblichen Tracht das
Obergewand allein ohne Chiton angelegt sein. Ich wähle das
berühmte Beispiel der Venus von Melos im Louvre (Fig. 35***].
Es wird so eine würdigere, züchtigere Erscheinung schöner
Nacktheit erreicht.

Namentlich durch Grösse oder Kleinheit des Stoffes
entstehen endlich noch die verschiedensten Formen der Ueber-

*) Nach Ann. dell'inst. 1848, tav. d'ägg. G.

**) Nach der Photographie einer Euterpestatue imVatican. Vergleiche
E. Q. Visconti «Museo I'io-Clem.» I, Taf. XVII.

*•*) Nach Ravaisson «la Venus de Milo», letzte Tafel.

würfe. Ein kleiner (Fig. 36*) entspricht etwa der Chlamys der
Jünglinge (Fig. 12 — 14).

< Eigenthümlich ist ein namentlich aus einzelnen attischen
Bildwerken bekannter Ueberwurf, den man fast richtiger zum
Chiton, als zur Classe des Obergewandes rechnen dürfte. Es
ist eine Art Verstärkung des Chiton auf der Rückseite der
Figur, ein einfaches Gewand, das, bis auf die Füsse reichend,
auf beiden Schultern befestigt, nur einen Hintergrund der
Gestalt zu geben scheint. Man kann sich die Art seiner An-
legung durch Fig. 37 veranschaulichen, fertig angelegt er-
scheint er z. B. an dem grandiosen attischen Athena-Torso
der Ecole des beaux arts zu Paris.

Möchte es einigermassen gelungen sein, die antike Ge-
■ wandung, besonders die künstlerisch unsterbliche griechische,

37- Nach einem Modelle.

ihren Hauptgrundzügen nach zu schildern. Ich glaubte dabei
kurz sein zu können, da das Verständniss des Künstlers
leicht ergänzend entgegenkommen und vielleicht an den Ab-
bildungen allein mit geringer Beachtung des Textes genug
haben wird. Auch konnte ja nur ein erstes Hineinleiten die
Absicht sein. Eigene Versuche würde auch die grösste Um-
ständlichkeit der Auseinandersetzung nicht ersparen.

Das Studium dessen, wovon ein Archaeologe hiermit
Künstlern zu Anregung ein Geringes bieten wollte, ist bei ihm
selbst von einem Künstler einst ganz besonders angeregt
worden, von Ed. von der Launitz **).

• • *) Nach Gerhard «Die Vase -des Midias» Taf. I. Abh: der k. Ak. der
Wiss. zu Berlin 1840.

**) Durch einen Vortrag auf der Philologenversammlung zu Heidelberg
im Jahre 1865 (S. Verhandlungen S. 49). Vergl. sonst Weiss'«Costümkunde» II,
S. 703 ff. und namentlich die Handbücher über griechische Alterthümer, wie
Becker's «Charikles» III, S. 157 ff. Eine männliche und eine weibliche Gyp,-
figur, welche Launitz zum Anlegen der Gewänder modellirte, s:nd bei Job.
Val. Vanni zu Frankfurt a. M. käuflich.
 
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