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Conze, Alexander
Archäologische Untersuchungen auf Samothrake (Band 2) — Wien, 1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.753#0025
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gehöriger Stirnziegel an, welche Bd. I, Taf. XLIX bereits abgebildet wurden, wozu jetzt ergänzend die photo-
graphische Aufnahme Taf. X dieses Bandes hinzutritt. Entsprechende Stücke des Geison von der Langseite
des Gebäudes wurden dieses Mal mehrere gefunden, doch alle in sehr schlechter Erhaltung. Auf der unteren
Lagerfläche eines derselben fand sich ein P als Werkzeichen angebracht. Auch die Stücke des Frieses mit
tanzenden Figuren, welche, wie oben berichtet wurde (S. 13 ff.), dieses Mal hier gefunden wurden, waren sämmt-
lich äusserst zerstört. Mit Hinzunahme einiger in der Nähe gefundener Zahnschnitte (s. oben S. 14) und des
Stirnziegels, den wir schon 1873 glaubten hierher rechnen zu dürfen (Bd. I, S. 49), habe ich es unternehmen
können, auf Taf. VIII, Fig. III, wenigstens das Gesims des Marmorneubaues, der hier an die Stelle des
alten, bunt bemalten dorischen Tempels aus Tuffstein getreten war, zu reconstruiren. Dafür durften nach dem
Zeugnisse der von uns am Platze gefundenen gleichen Bruchstücke als sicher zu diesem Bau gehörig die einst
an der Hafenburg der Gateliusi vermauerten, jetzt im Louvre befindlichen zwei Reliefs (Taf. IX) als Fries
verwerthet werden; in der Zeichnung ist jedoch eine Ergänzung der tanzenden Figuren unterlassen. Epigra-
phische Untersuchungen (s. unten) haben dazu geführt, unter diesem Friese, wie am Parthenon, ein dorisches
Epistyl vorauszusetzen.

Das reconstruirte Gesims lässt, wo alle anderen Theile des Aufbaues fehlen, wenigstens auf ein Ge-
bäude in jonischem Stile schliessen, das sich durch Schönheit der Erfindung und Durchbildung seines Orna-
ments vor den übrigen samothrakischen Bauten ausgezeichnet haben muss."

So weit Hauser's grundlegende Erläuterungen. — Sämmtliche Einzelheiten, welche hiermit beschrieben
sind, werden ihrer ursprünglichen Bedeutung nach schwerlich völlig mehr zu verstehen sein. Die eine Haupt-
sache aber, dass sie die wenn auch noch so spärlichen Ueberreste des alten Kabirentempels, des Kern-
baues der samothrakischen Heiligthümer, sind, lässt sich sowohl aus ihnen selbst als auch aus der topogra-
phischen Betrachtung aller nunmehr aufgedeckten Gebäude zu hinreichend grosser Wahrscheinlichkeit erheben,
und bestätigend tritt weiter eine Ermittlung Benndorf's hinzu, welche sich ganz unabhängig aus den Maassen
erhaltener Inschriften ergab, wonach an den Wänden des alten Tempels, als des Hauptheiligthumes der
Mysterienstätte, in hellenistischer Zeit die Proxenie- und Theorenlisten von Samothrake zur Aufzeichnung
kamen. Dabei ist immerhin mit in Anschlag zu bringen, dass dies eine Hauptergebniss nicht bereits vor
der Auffindung in unseren Vermuthungen fertig war. Es ist vielmehr erzählt (S. 5 ff., i3), wie an der Stelle,
wo ich das älteste Heiligthum zu suchen ging, die Grundspur einer langen Halle zu Tage trat. Jetzt, nach-
dem in der Tiefe des Bachthaies ein in einigen Theilen sichtlich hochaltes, dann einmal einem Umbau unter-
worfenes, mit einer Opferstätte chthonischer Götter versehenes Gebäude sich zu erkennen gegeben hat, ist
auch das leicht einzusehen, dass eine Opferstätte der Unterirdischen wohl besser hier als auf einer Höhe, die
eher den Altären der Himmelsgötter eignen würde, hätte gesucht werden sollen. Auch der eleusinische Tempel
lag nicht auf einer Höhe, sondern am Fusse derselben.

Im Einklänge mit einer Zurückführung des hier in der Tiefe nachgewiesenen Gebäudes in ein frühes
Alterthum steht zunächst, wenn das allein auch Nichts beweisen kann, seine Kleinheit. Das Oblong des
Grundrisses ist abgesehen von dem durch die Polygonmauer gestützten Vorräume etwas länger als die Cella
des athenischen Erechtheions, hat aber dieses Maass anscheinend erst bei einem Neubau durch eine Verlän-
gerung gegen Südosten erhalten. Der ältere Theil ist der gegen Nordwesten gekehrte einschliesslich jener
Polygonmauer, durch die erst eine für einen Bau geeignete Plateform hergestellt worden ist. Nicht als ob
Polygonmauern um dieser ihrer Construction willen immer sehr,alt wären; aber diese erscheint namentlich
im Vergleiche mit den andern Stützmauern auf Samothrake selbst und speciell der auch aus polygonen Stücken
aufgeführten südlich hinter dem neuen Tempel, die dem letzteren gleichzeitig sein muss, als ein besonders
altes Baustück. Die Kleinheit des ältesten Baues geht übrigens am deutlichsten aus den beiden Stücken des
dorischen Geison hervor; der Mutulus misst o-35 M. in der Länge, während er am neuen Tempel o"6o M.
lang ist. An diesen beiden Geisonstücken ist nun Alles hochalterthümlich, namentlich aber die Anfügung der
Tropfen wahrscheinlich aus Bronze, wobei also diese tektonische Zierform noch in ihrer primitivsten Ge-
 
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