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UEBERSIEDLUNG NACH GENT.
Schicksal.l) Schwerlich litt es unter solchen Umständen
die Brüder van Eyck, die Jünger einer vorzugsweise fried-
lichen Kunst, lange in ihrer verwüsteten Heimath. Wir
dürfen vielmehr voraussetzen, dass sie sobald wie möglich
in den grossen flandrischen Städten eine sichere Zuflucht
suchten. Wenn wir eine Stelle in Opmeer's Opus chrono-
graphicum wörtlich nehmen, so lebten sowohl Hubert wie
Jan van Eyck im Jahre 1410 in Gent.2 Aber Opmeer ist
kein unmittelbarer Zeitgenosse gewesen und gegen die streng
wörtliche Auffassung seiner Worte erheben sich mancherlei
Bedenken. So mag es denn rathsam erscheinen, den Zeit-
punkt des Auftretens der Brüder in Gent etwas später an-
zusetzen. 3 Begreiflich forscht man zunächst nach ihren
Namen in den alten Genter Zunftregistern. Die Gesetze
der Genter Lucasgilde bestimmten, dass kein Fremder das
1 Maaseyck wurde schwer bestraft
und, wie man sagt, zerstört 1468, in
demselben Kriege, in welchem Dinant
und dreissig andere Städte erobert
und geplündert und Eüttich dem
Herzogthum Burgund unterworfen
wurde. Vgl. Vairnetcylc, Hist. v.
Belffis. p. 119.
2 Opmeer (Petrus) Opus chrono-
graphicum (i. J. 1569 verfasst). 12a.
1611 p. 405. — „1410. Hac
tempestate floruerunt Gandavi Jo-
annes Eickius cum Huberto, fratre
suo majore natu, summi pictores.
Quorum ingeniis primum excogitatum
fuit colores terere, oleo seminis lini."
3 Abbe Carton in Brügge beruft
sich (Annales de la societe d'Emula-
tion de Bruges. Tom. 5. Serie 2.
Bruges 1847 p. 225) auf eine von
Goetghebuer ihm mitgetheilte Copie
eines Registers, in welchem die Mit-
glieder einer religiösen Brüderschaft:
„Onser Vrouw ter Radien" verzeich-
net waren; darnach soll derselben bei-
getreten sein 1412 „Meester Hubrecht
van Hyke und 1418 Mergriete van
Hyke." Die von Goetghebuer ge-
lesene Copie hat sich also niemals
wieder vorgefunden, eben so wenig
das Original. Ein Zweifel an der
Aechtheit dieser Daten ist daher
wolü gestattet. Vgl. Buelens Anno-
tations zur franz. TJebersetzung der
ersten Auflage des Buches von Crowe
und Gavalcaselle (les anciens peintres
flamandes p. C. c. C. traduit par
Delepierre. Bruxelles 1863), in
welcher (p. XL) er die Resultate der
von Busscher angestellten Forschun-
gen mittheilt.
Derselbe Verdacht haftet an einer
anderen Notiz, die aus den gleichen_
Quellen stammt, ebenfalls auf einer
Mittheilung Goetghebuer's an den
Canonicus Carton (Annales v. o. p.
78). In dem Register der Brüder-
schaft 0. V. in Gent soll zu lesen
sein: „Sente Bamesse, anno XIHIC
en XXII was Hübrecht van Eycke,
gulde broeder Van Het Onser Vrouwen
Gulden, up de rade van den Chore
van Sind Jans te Ghend." Die
Möglichkeit, dass Hubert van Eyck
bereits vor 1424, diesem urkundlich
sicher gestellten Jahre, in Gent lebte,
wird nicht ausgeschlossen, nur darf
man sie nicht auf Carton's Beweise
gründen wollen.
UEBERSIEDLUNG NACH GENT.
Schicksal.l) Schwerlich litt es unter solchen Umständen
die Brüder van Eyck, die Jünger einer vorzugsweise fried-
lichen Kunst, lange in ihrer verwüsteten Heimath. Wir
dürfen vielmehr voraussetzen, dass sie sobald wie möglich
in den grossen flandrischen Städten eine sichere Zuflucht
suchten. Wenn wir eine Stelle in Opmeer's Opus chrono-
graphicum wörtlich nehmen, so lebten sowohl Hubert wie
Jan van Eyck im Jahre 1410 in Gent.2 Aber Opmeer ist
kein unmittelbarer Zeitgenosse gewesen und gegen die streng
wörtliche Auffassung seiner Worte erheben sich mancherlei
Bedenken. So mag es denn rathsam erscheinen, den Zeit-
punkt des Auftretens der Brüder in Gent etwas später an-
zusetzen. 3 Begreiflich forscht man zunächst nach ihren
Namen in den alten Genter Zunftregistern. Die Gesetze
der Genter Lucasgilde bestimmten, dass kein Fremder das
1 Maaseyck wurde schwer bestraft
und, wie man sagt, zerstört 1468, in
demselben Kriege, in welchem Dinant
und dreissig andere Städte erobert
und geplündert und Eüttich dem
Herzogthum Burgund unterworfen
wurde. Vgl. Vairnetcylc, Hist. v.
Belffis. p. 119.
2 Opmeer (Petrus) Opus chrono-
graphicum (i. J. 1569 verfasst). 12a.
1611 p. 405. — „1410. Hac
tempestate floruerunt Gandavi Jo-
annes Eickius cum Huberto, fratre
suo majore natu, summi pictores.
Quorum ingeniis primum excogitatum
fuit colores terere, oleo seminis lini."
3 Abbe Carton in Brügge beruft
sich (Annales de la societe d'Emula-
tion de Bruges. Tom. 5. Serie 2.
Bruges 1847 p. 225) auf eine von
Goetghebuer ihm mitgetheilte Copie
eines Registers, in welchem die Mit-
glieder einer religiösen Brüderschaft:
„Onser Vrouw ter Radien" verzeich-
net waren; darnach soll derselben bei-
getreten sein 1412 „Meester Hubrecht
van Hyke und 1418 Mergriete van
Hyke." Die von Goetghebuer ge-
lesene Copie hat sich also niemals
wieder vorgefunden, eben so wenig
das Original. Ein Zweifel an der
Aechtheit dieser Daten ist daher
wolü gestattet. Vgl. Buelens Anno-
tations zur franz. TJebersetzung der
ersten Auflage des Buches von Crowe
und Gavalcaselle (les anciens peintres
flamandes p. C. c. C. traduit par
Delepierre. Bruxelles 1863), in
welcher (p. XL) er die Resultate der
von Busscher angestellten Forschun-
gen mittheilt.
Derselbe Verdacht haftet an einer
anderen Notiz, die aus den gleichen_
Quellen stammt, ebenfalls auf einer
Mittheilung Goetghebuer's an den
Canonicus Carton (Annales v. o. p.
78). In dem Register der Brüder-
schaft 0. V. in Gent soll zu lesen
sein: „Sente Bamesse, anno XIHIC
en XXII was Hübrecht van Eycke,
gulde broeder Van Het Onser Vrouwen
Gulden, up de rade van den Chore
van Sind Jans te Ghend." Die
Möglichkeit, dass Hubert van Eyck
bereits vor 1424, diesem urkundlich
sicher gestellten Jahre, in Gent lebte,
wird nicht ausgeschlossen, nur darf
man sie nicht auf Carton's Beweise
gründen wollen.