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Cucuel, Ernst
Die Eingangsbücher des Parzival und das Gesamtwerk — Limburg an der Lahn: Druck der Limburger Vereinsdruckerei G.m.b.H., 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.59484#0009
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Einleitung.
Ls ist eine bewährte Gewohnheit, mächtige Bauten nicht gleich in
ihrer ganzen vielgliedrigen Busdehnung in Angriff zu nehmen. Bus
mancherlei Gründen „zerlegt" man sie in einzelne „Bauabschnitte", die
man, obwohl sie zusammen erst ein Ganzes bilden, in anscheinend will-
kürlicher Folge gesondert und wie für sich genug aufführt. Diese Ar-
beitsweise ist uns allen bekannt, sowohl von den Bauten der Materie
wie von denen des Geistes.
Ist Wolfram bei seinem großen Bau des „parzival" nicht in ähnlicher
Weise vorgegangen?
Line bejahende Antwort scheint auf den ersten Blick die einzig rich-
tige. Allein schon die gewaltigen Ausmaße des Werkes fordern doch —
so glaubt man ohne längere Nachprüfung sagen zu dürfen — eine ab-
schnittweise Fertigstellung. Und bedenkt man dazu die kühne Architek-
tonik, wie dem prächtigen Mittelbau — dem eigentlichen „parzival" —
ganz andersgeartete Teile an- und eingegliedert sind, so wird man auch
nicht unwahrscheinlich finden, daß Wolfram sich auch um die spätere
Reihenfolge der Stücke zunächst wenig gekümmert habe. Lr wird doch
wohl sein Werk dort angefangen haben, wo es ihn gerade am meisten
hinzog.
Vas dürfte aber schwerlich jener vorbauartige Teil gewesen sein, der
sich nach der Vollendung des Ganzen dem Beschauer zuerst entgegenstellen
sollte, jene anscheinend nur sehr lose angefügte Vorgeschichte. Wer
Wolfram kennt, wird vielmehr erwarten, daß er wie immer geraden-
wegs auf die Hauptsache losgehend, gleich den alles überragenden Mit-
telbau in Angriff nahm und jene Vorhalle erst später anfügte. Vieser
vorgehen ist umso wahrscheinlicher, als Vorhallen, Ouvertüren und Lin-
leitungen ja sehr oft zuletzt geschaffen werden.
Raum war der Gedanke an die spätere Abfassung der beiden Lin-
gangsbücher einmal aufgetaucht, so galt es, diese „Vorhalle" doch dar-
aufhin eines forschenden Blicks zu würdigen, ob man ihr vielleicht nicht
etwas ansehe. Findige Leute glaubten auch gleich sehr viel bemerken zu
können. Linmal: der Baustoff sei ja grundverschieden von dem des
Hauptbaus; schon das allein beweise die spätere Bauzeit, vann: man
sehe ja recht deutlich die Anfügungsstellen; dabei meinten etliche, diese
seien sogar etwas notdürftig hergestellt, weil Wolfram zuerst vergessen
habe, darauf Rücksicht zu nehmen, oder er eine Vorhalle am Anfang über-
haupt noch nicht plante; ja einige wenige riefen gar: seht ihr denn nicht
die Risse und unausgefüllten Fugen?-Wieder andere sagten: nicht
nur das Material oder die Anfügungsstellen sind auffällig, nein, bezeich-
nend ist die ganz andere Behandlungsart des Baustoffs. Allerdings war
sich diese Gruppe etwas uneinig. Der eine meinte, daß das Rönnen des

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