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Cucuel, Ernst
Die Eingangsbücher des Parzival und das Gesamtwerk — Limburg an der Lahn: Druck der Limburger Vereinsdruckerei G.m.b.H., 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.59484#0046
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Zimiers in den beiden Eingangsbüchern, wie läßt sich nun dieser eigen-
artige Sachverhalt in befriedigender weise erklären? Und wie vermag
man aus ihm etwas Sicheres über die Entstehungszeit der Eingangs-
bücher zu schließen?
Ms gesicherte Tatsache steht fest, daß der Brauch des plastischen Helm-
schmucks sich in den Jahrzehnten von Wolframs Schaffenszeit herausge-
bildet hat. von vornherein ist daher wahrscheinlich, „daß wir hinter
Wolframs Schilderungen, die jeder waffentechnischen Neuerung auf-
merksamen Blicks folgen, nicht stagnierte Gewohnheit zu suchen haben"
(Schw.).
Daß nach diesen Voraussetzungen Wolframs Werke vielleicht die
Entwicklung des Zimierbrauchs widerspiegeln, ist gewiß nicht unmög-
lich. Mer mir will es gar nicht glaubhaft scheinen, daß Wolfram am
Mfang seines Schaffens das Helmkleinod seltener als später erwähnt
haben soll, weil es damals noch sehr selten getragen wurde, so daß also
Häufigkeit in der Wirklichkeit und Häufigkeit im Werk — vom „Ur-
parzival" zunehmend zum „Gahmuret" — genau gleichlaufen. Vas Ge-
genteil ist zweifellos wahrscheinlicher! Wolfram liebt doch sichtlich Be-
sonderheiten und Neuheiten aller Nrt, er begnügt sich nie mit „stagnier-
ten Gewohnheiten", was Wunder also, wenn er auch hier gleich kräftig
zugriff und diese Neuheit sofort in ausgiebigem Maße seiner Dichtung
dienstbar machte! Es ist doch viel natürlicher und Wolframs Wesensart
weitaus angemessener, wenn man annimmt, er habe uns vom Zimier
am ausführlichsten erzähl:, solange dieses noch wirklich als Neuheit
Aufsehen erregen konnte, und nicht erst, als es schon zum festen Bestand-
teil der ritterlichen Nusrüstung geworden war.
vergegenwärtigt man sich dazu noch, daß die so auffälligen 10 Zi-
mierstellen der beiden Eingangsbücher stets die beiden gleichen Helm-
kleinode schildern, die 7 Stellen aus dem „Nrparzival" sich dagegen auf
4 verschiedene Zimiere verteilen, so wird man in dieser Nuffassung, daß
die zahlreicheren Stellen die früheren sein müssen, nur noch bestärkt.
Wan könnte daher, wenn man wie Schreiber vorwiegend nur die
Häufigkeit ins Nuge saßt, seine Schlußfolgerung gerade umkehren und
sagen: „Nicht den Abschluß, sondern den Anfang der ganzen Entwick-
lung dieser ritterlichen Sitte bieten uns die heutigen beiden ersten
Bücher" (Schr. 169).
Allerdings scheinen wir mit dieser Anordnung, die den Gahmuret
dann schon einige Zeit vor 1205 entstehen lassen mutz, etwas ins Ge-
dränge zu kommen, wenn Schreiber sagt: „Um 1200 aber konnte sich der
Gebrauch der Helmkleinode noch keinesfalls in der weise durchgesetzt
haben, wie er uns in Gahmurets Geschichte entgegentritt" (S. 169).
Aber selbst wenn diese Feststellung wirklich so gesichert wäre, wie sie
aussieht — vgl. Schr.s sehr viel vorsichtigere Aussagen auf 5. 165 —
wir würden uns an ihr gar nicht stoßen. Venn zu unserer Auffassung
patzt es gerade ausgezeichnet, daß der Zimierbrauch sich durchaus noch
nicht allgemein durchgesetzt hatte, sondern noch eine Seltenheit war und
darum Wolfram zu der ziemlich eingehenden Schilderung in den ersten
beiden Büchern veranlaßte.

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