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Cucuel, Ernst
Die Eingangsbücher des Parzival und das Gesamtwerk — Limburg an der Lahn: Druck der Limburger Vereinsdruckerei G.m.b.H., 1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.59484#0102
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Dabei ist es also gar nichts Äußerliches, nicht das Geringste von einem
bloß Tatsachenhaften, was hier weiterleitet, sondern allein der innerste
Strom des seelischen Geschehens, mit seiner unbedingten Notwendig-
keit. Irgendwie hier abzuteilen in die drei Dramen: Gahmuret, herze-
loyde, parzival oder gar in zwei: Gahmuret und parzival, ist gar nicht
möglich; so unlösbar ist ihre innere Verklammerung. An diesem Urteil
vermag auch nichts zu ändern, daß Wolfram selbst eine Scheidung in
zwei Teile vornimmt. Um Gegenteil, man lese nur jene Verse im Zu-
sammenhang: . . . äLiiuen über den vierLobeuäen tue cliu vrouvze eiv8
Kiuäeliu8 Zeiuc, eiii8 8Uv8, äsr 8ollier liäe v/u8, äu^ 8i vil küms äruu
8LUL8. bie8t cler Lventiurs ^vuri §e8pilt unä ir bexin i8t L6?ilt,
^unäe er i8t uire8t Mborn, äein äi^ uuers v/urt erkorri. 8M8 vuter
vreucle unä äe8 not, beiäiu 8in leben unä 8ln tot, äe8 bubet ir v/ol
ein teil vernommen. nü vä^et, von iu 8i körnen äi868 mseres
Zuebe^vuläe unä ^vie mun äen bebuläe. mun bure in vor ritter8Lbukt,
e er koerne un 8iner ^vit^e Kratt. äo äiu küne^in 8ieb ver8an unä
ir kinäelin v/iäer xir Zev/an, 8i unä anäer vrouxven besunäen . . .
(1l2, 5 ff.). Gewiß, hier wird eine deutliche Trennung zwischen den bei-
den Handlungen gemacht, aber der Gang der Erzählung wird davon in
keiner Weise berührt; es geht weiter, wie wenn diese Verse gar nicht
daständen. Sie sind daher mit ihren rückwärts und vorwärts schauen-
den Angaben eher gleich einem mächtigen Hindernis mitten in jenen
Strom des inneren Geschehens geworfen, wie um an ihm erst deutlich
erkennen zu lassen, mit welcher Kraft und welcher Wacht dieser Strom
vorüberrauscht.
Soviel können wir nach allem jetzt schon sagen: die ersten beiden
Bücher sind kein selbständiger Roman. Auch wenn man am Ende des
zweiten Buches einige Striche macht, kann es nicht gelingen, ein abge-
rundetes Ganzes herzustellen. Dieser Konstruktion müßte ja gerade der
Höhepunkt und Abschluß fehlen, da die Katastrophe, die zwar nur aus
der Gahmurethandlung erwächst, einen unlösbaren organischen Teil in
dem Drama der herzelopde darstellt. Der „Gahmuret" ist also nicht ein
Stück für fich, an das sich dann ein anderes anfügt. Er beginnt Zwar
durchaus so, baut sich auch ganz aus sich selbst und für sich selbst auf,
aber an entscheidender Stelle verliert er diese Selbstgenügsamkeit und
gliedert sich ein in einen anderen, größeren Zusammenhang.
*

Die inhaltliche Stellung der beiden Eingangsbücher scheint demnach
sehr eigenartig zu sein: ein abgerundetes Ganzes bilden sie nicht, weil
sie notwendig eine Fortsetzung verlangen; von vornherein nur ein Teil
einer anderen Geschichte sind sie aber auch nicht, denn einen unmittel-
baren Zusammenhang haben sie ja nur mit dem herzelopdendrama und
dieses bedarf des ersten Buches doch eigentlich nicht, mindestens nicht
in dieser Ausführlichkeit. Was soll man zu diesem eigenartigen Bau
nun sagen? Ist es nicht doch so, daß wir die ersten beiden Bücher im
ganzen genommen als eine überflüssig lange Einleitung ansehen müssen?

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