Vorwort
E iſt für die Geſchichte der Runſtwiſſenſchaft und der Kunſtdeutung typiſch, daß es
bis in die jüngſte Zeit an einer zuſammenfaſſenden Darſtellung der künſtleriſchen Ver-
laſſenſchaft des Hans Baldung Grien gefehlt hat. Die wiſſenſchaftliche Forſchung hat
zwar in Bezug auf dieſen ſtarken Meiſter der deutſchen Malerei des Reformationsʒeit-
alters reiche Einzelarbeit geleiſtet, das Material iſt von ihr in weitem Umfang ausgebreitet
worden; die künſtleriſchen Probleme indeſſen, die in Baldungs Kunſt beſchloſſen liegen,
* früheren Generationen zu fern gelegen zu haben, als daß ſie nach geſchloſſener
Darſtellung und Deutung verlangt hätten.
Heute jedoch entſpringt die Darſtellung und Deutung dieſes triebhaften kuͤnſtleriſchen
Typus einem tieferen Bedurfnis der Gegenwart. Sie führt den Blick vor primäre künſt-
leriſche Triebkräfte uberhaupt und zeigt die Bewegungen der kunſtformenden Elemente
angeſichts eines künſtleriſchen Tatbeſtandes von ſeltener Klarheit; Tradition und Dämonie,
willige Aufnahme fremder Kunſtform und die Ergebniſſe eines unerhört lebhaften indivi-
duellen Schaffenstriebes geſtalten das künſtleriſche Schickſal des Meiſters. Die Vitalität
dieſes Ereigniſſes erregt den Geiſt; ihre Beobachtung fördert ihn, ſie ſchärft ihn; vielleicht
vermag ſie ihn zu ſteigern.
Dieſes Schickſal möchte das Buch an Hand des überkommenen Tatbeſtandes mit ſach-
licher Kühle ſchildern. Aus den Zeitläuften ergab ſich die Notwendigkeit vielfacher Unter-
ſtützung; ſie iſt mir in ſo reichem Maß von Muſeen und Fachgenoſſen zugefloſſen, daß es
zu weit führen würde, den Dank im einzelnen abzuſtatten. Lr ſei hiermit im ganzen herz-
lich ausgeſprochen. Im übrigen möchte das Zuſtandekommen der Arbeit 4 als
zeugnis des Dankes betrachtet werden.
Sachlich iſt zu bemerken: ſoweit bei den Abbildungen der Gemälde und deichnungen nur
die Orte genannt ſind, befinden ſich die Werke in dem jeweiligen Hauptmuſeum des betreffen-
den Ortes; bei den Holzſchnitten ſind nur dann die Maße angegeben, wenn ſie nicht in der
originalen Größe abgebildet werden konnten; rechts und links iſt immer vom Beſchauer
aus genommen Der Anhang verzeichnet nur die wichtigſten wiſſenſchaftlichen Arbeiten;
von ſeinen Angaben aus ermöglicht ſich jedoch vollſtaͤndiges Eindringen in die Materie.
Eine Anzahl von wiſſenſchaftlichen Einzelfragen iſt abſichtlich nur im Vorübergehen an-
geſchnitten worden; ihre Aufklärung bezw. Beleuchtung iſt in kleineren Arbeiten in Aus-
ſicht genommen, die vorausſichtlich im Jahrbuch für Kunſtwiſſenſchaft erſcheinen werden.
Rarl * ühjahr 1923
arlsruhe, im Frühjahr Hans Curjel
E iſt für die Geſchichte der Runſtwiſſenſchaft und der Kunſtdeutung typiſch, daß es
bis in die jüngſte Zeit an einer zuſammenfaſſenden Darſtellung der künſtleriſchen Ver-
laſſenſchaft des Hans Baldung Grien gefehlt hat. Die wiſſenſchaftliche Forſchung hat
zwar in Bezug auf dieſen ſtarken Meiſter der deutſchen Malerei des Reformationsʒeit-
alters reiche Einzelarbeit geleiſtet, das Material iſt von ihr in weitem Umfang ausgebreitet
worden; die künſtleriſchen Probleme indeſſen, die in Baldungs Kunſt beſchloſſen liegen,
* früheren Generationen zu fern gelegen zu haben, als daß ſie nach geſchloſſener
Darſtellung und Deutung verlangt hätten.
Heute jedoch entſpringt die Darſtellung und Deutung dieſes triebhaften kuͤnſtleriſchen
Typus einem tieferen Bedurfnis der Gegenwart. Sie führt den Blick vor primäre künſt-
leriſche Triebkräfte uberhaupt und zeigt die Bewegungen der kunſtformenden Elemente
angeſichts eines künſtleriſchen Tatbeſtandes von ſeltener Klarheit; Tradition und Dämonie,
willige Aufnahme fremder Kunſtform und die Ergebniſſe eines unerhört lebhaften indivi-
duellen Schaffenstriebes geſtalten das künſtleriſche Schickſal des Meiſters. Die Vitalität
dieſes Ereigniſſes erregt den Geiſt; ihre Beobachtung fördert ihn, ſie ſchärft ihn; vielleicht
vermag ſie ihn zu ſteigern.
Dieſes Schickſal möchte das Buch an Hand des überkommenen Tatbeſtandes mit ſach-
licher Kühle ſchildern. Aus den Zeitläuften ergab ſich die Notwendigkeit vielfacher Unter-
ſtützung; ſie iſt mir in ſo reichem Maß von Muſeen und Fachgenoſſen zugefloſſen, daß es
zu weit führen würde, den Dank im einzelnen abzuſtatten. Lr ſei hiermit im ganzen herz-
lich ausgeſprochen. Im übrigen möchte das Zuſtandekommen der Arbeit 4 als
zeugnis des Dankes betrachtet werden.
Sachlich iſt zu bemerken: ſoweit bei den Abbildungen der Gemälde und deichnungen nur
die Orte genannt ſind, befinden ſich die Werke in dem jeweiligen Hauptmuſeum des betreffen-
den Ortes; bei den Holzſchnitten ſind nur dann die Maße angegeben, wenn ſie nicht in der
originalen Größe abgebildet werden konnten; rechts und links iſt immer vom Beſchauer
aus genommen Der Anhang verzeichnet nur die wichtigſten wiſſenſchaftlichen Arbeiten;
von ſeinen Angaben aus ermöglicht ſich jedoch vollſtaͤndiges Eindringen in die Materie.
Eine Anzahl von wiſſenſchaftlichen Einzelfragen iſt abſichtlich nur im Vorübergehen an-
geſchnitten worden; ihre Aufklärung bezw. Beleuchtung iſt in kleineren Arbeiten in Aus-
ſicht genommen, die vorausſichtlich im Jahrbuch für Kunſtwiſſenſchaft erſcheinen werden.
Rarl * ühjahr 1923
arlsruhe, im Frühjahr Hans Curjel