Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Curtius, Ernst [Editor]; Adler, Friedrich [Editor]
Olympia: die Ergebnisse der von dem Deutschen Reich veranstalteten Ausgrabung (Textband 2): Die Baudenkmäler — Berlin, 1892

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.774#0199
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Die Mosaikfussböden (Tafel CV— CXI).

181

der linke Arm, dessen Hand ein ruderartiges Werkzeug
halt; links unter der letzteren eine Spitze des weissge-
säumten, ssossenförmigen Schurzes, aus dem der mit
stachlichten Zacken besetzte Schwanz sich nach rechts
hin ringelt. Auf diesem sitzt ein Knabe, der in der er-
hobenen Rechten, wie es scheint, ein ssatterndes Band
schwingt, während er mit der Linken sich hält.
Das Ganze ist farbig auf bläulich schwarzem Grunde
dargeflellt. Die Fleischteile sind aus gelblich weissen,
mit rötlichen vermischten Steinen zusammengesetzt. Das
Auge ist weiss mit schwarzer Mitte und schwarzem Rande.
Die Lippen sind rot. Zu Haar und Bart sind reihenweise
verlegte rotbraune und gelbe, sowie eingestreute graue
Steine verwandt. Das Ruder hat weisse Ränder; seine
obere Hälfte ist gelb, die untere rot. Der Schurz hat rote
Flächen mit weissen Saum- und Teilltreifen. Das obere
Drittel des Schwanzes ist weiss, das mittlere schwarz,
das untere wieder weiss, mit schwarzen Querreihen. Die
Zackenssächen sind rot, ihre Ränder weiss.
Die in Abbildung 2 wiedergegebene Ecke des die
figürliche Darsteilung umschliessenden Randes ist die
südwestliche des nördlichen Teiles'). Man sseht das
Anthemion mit dem es umziehenden Zackenstreifen und
rechts spärliche Reite des breiten Mäanderbandes. Alle
Verzierungen sind weiss auf blauschwarzem Grunde aus-
geführt.
Im römischen Prytaneion fanden wir drei
Mosaikreste, wie sie in dem Grundrisse des Gebäudes
auf Tafel XLIII dargeflellt sind. Das eine bildete den
Fussboden des an der Westseite befindlichen Trikliniums,
die beiden anderen liegen zu Seiten des grossen, läng-
lichen Wasserbeckens2). Sie zeigen geometrische Muster
von einfacher Anordnung und sind in regelmässiger
Weise, aus Marmorwürfeln von durchschnittlich 13 mm
Seite, mit engen Fugen zusammengesetzt. Neben schwar-
zen und weissen sind rote, gelbe und blauschwarze Steine
verwandt. Die Oberssäche ist nicht geschlifsen.
In der Therme am Kronion ist3) der das grosse
Wasserbecken umgebende Hallenfussboden mit wohler-
haltenem Mosaik bedeckt. In ein einfach gezeichnetes
geometrisches Muster sind reich umrahmte, etwa halb
lebensgrosse figürliche Darstellungen eingesetzt, deren
zwei, die südliche und weltliche, von uns freigelegt
worden sind. Der Wiedergabe der ersteren sind die
Tafeln CVI und CVII gewidmet.
In reichfarbiger Darstellung auf weissem Grunde
zeigt dieses Mosaik einen bärtigen Triton, der, in der
Linken einen mächtigen Dreizack haltend, ein Viergespann
von Seepferden in schneller Bewegung durch die Wellen
lenkt. Obgleich in ihrem Gefüge nur von mittelmässiger
Sorgfalt, zeugt die Arbeit von einer grossen Geübtheit
1) Die beiden Abbildungen greifen derart ineinander,
dass die rechte (jetzt linke) untere Ecke von Abbildung 2
der linken oberen von Abbildung 1 dann entspricht, wenn
man Abbildung 2 um ihre linke Ecke 900 nach links gedreht
denkt. Die weissen Steine in der linken unteren Ecke von
Abbildung 2 bilden das Ende des Muschelhornes, auf dem
der Triton bläst.
2) S. S. 59 links und 60 links, im 1. Textbande.
3) S. den Lageplan Mappe Bl. IV und VI a.

ihres Künstlers, der das offenbar ssott gemalte Vorbild
auf geschickteste und eigenartige Weise in seine Technik
übersetzt hat. Unter allen uns aus dem römischen Alter-
tume überkommenen Mosaiken, soweit sie mir durch
eigene Anschauung oder aus den Verösfentlichungen —
die hier allerdings zumeist gerade betresfs der Darstellung
des Gefüges viel oder alles zu wünschen übrig lassen —
bekannt sind, nimmt dieses olympische Mosaik und sein
benachbartes Gegenstück, eben durch die Eigenart der
Technik, eine besondere Stellung ein. Jene Mosaiken,
sowohl die vollendetsten der früheren Zeit, als die rohe-
ren der späteren Jahrhunderte, zeigen die Reihen-
technik. Ihre Steinchen sind fast durchweg in Reihen
verlegt; nicht nur dort, wo sie Linien darflellen oder
die Umrisse bilden, sondern auch innerhalb der Flächen,
die, nach den Farben begrenzt oder ineinander über-
gehend, der Hauptsache nach aus geradlinig oder ge-
krümmt einander gleichlaufenden Reihen gebildet sind.
Auch in dem Mosaik der olympischen Therme
kommen Steinreihen vor: in den Umrilsen und als Dar-
stellung von Linien; in den Flächen aber nur dort, wo
der Künstler durch ihre Anordnung, gleichsam dem
Pinselflriche des gemalten Vorbildes folgend, jenen den
Ausdruck einer beflimmten Bewegung verleihen wollte,
wie in den Ringelschwänzen des Tritons und der Pferde,
in deren glatten Hälsen und schimmernden Leibern.
In allen anderen, im Gegensatze zu den vorigen als
ruhend zu bezeichnenden Flächen aber sind die Steine
ungebunden in einer freien, malerischen Technik
aneinander gefügt.
Besonders deutlich zeigt sich das in dem Kopfe des
Triton, der auf Tafel CVII in wirklicher Grösse und ge-
nauer Nachbildung dargeflellt ist. Man sseht, dass die
Steinchen völlig unregelmässig und einander unähnlich
in Grösse und Form, frei aneinander gesetzt sind in dem
ofsenbar durch reiche Erfahrung und Übung gestützten
Bestreben, den Eindruck des Vorbildes unmittelbar und
möglichst genau wiederzugeben.
Wie ich früher schon erwähnte, zeigt das griechische
Zeustempelmosaik eine ähnliche, malerischeTechnik, wenn
auch in anderer, unbeholfener Weise. Aus römischer Zeit
ist mir nur ein Beispiel verwandter Art bekannt geworden:
ein männlicher Kopf, der sich als Bruchstück jetzt im
Antiquarium des Berliner Königl. Museums befindet und
aus Assyrien flammt').
Von der oben erwähnten zweiten figürlichen Dar-
steilung des Thermenfussbodens gebe ich in der Ab-
bildung a (auf der folgenden Seite) eine Skizze. Sie
zeigt, ebenfalls in freier, malerischer Technik und präch-
tigen Farben eine auf einer Seekuh sitzende Nereide.
Über das Alter der Therme und ihres Mosaikfuss-
bodens ist nichts bekannt. Doch sleht der naheliegenden
Vermutung nichts entgegen, dass sie gleichzeitig mit dem
Palaste, als dessen Ergänzung, erbaut wurde, den Nero
über dem Südostbau errichten liess.
Das grösste Mosaik Olympias wurde in dem soeben
erwähnten Palaste aufgedeckt, wo es den Fussboden eines

x) Jahrbuch des Arch. Instituts Anzeiger 1893, S. 101 r.
unten 2.
 
Annotationen